: Diplomatischer Langstreckenlauf
Der Ukraine-Krieg geht weiter, das Wiederaufbautreffen war für Selenskyi ein Erfolg. Und nun? G7-Gipfel und Friedenskonferenz
Von Tanja Tricarico
Mit viel Rückenwind wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen Reisemarathon mit Stopp beim G7-Gipfel in Italien und bei der Friedenskonferenz in der Schweiz fortsetzen. Die Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine, die zwei Tage lang in Berlin über 3.000 Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenbrachte, war für ihn ein Erfolg. Die Solidarität der Bundesregierung, der EU, Großbritanniens und der USA ist ihm sicher. Konkret vereinbart wurde etwa eine Allianz für kleine und mittlere Unternehmen in der Ukraine. Der Verbund von Staaten und Entwicklungsbanken soll helfen, dass die Firmen bereits in Kriegszeiten Geld, Beratung und Unterstützung bekommen. Es geht um Jobs, um Steuereinnahmen, um eine Perspektive – auch wenn ein Ende des Krieges nicht in Sicht ist.
Das Land steht militärisch enorm unter Druck, vor allem im Osten der Ukraine ist die Front hart umkämpft. Noch während man in Berlin tagte, griff die russische Armee in der Nacht zu Mittwoch Kyjiw mit Marschflugkörpern, Raketen und Drohnen an. Laut offiziellen Angaben konnte die Attacke abgewehrt werden. Der Ukraine fehlt es derzeit vor allem an Munition, Personal und Luftabwehr. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bereits am Dienstag ein weiteres Patriot-System zu. Auch aus den USA soll es ein solches Verteidigungssystem geben.
Nun reist Selenskyj also weiter nach Italien. Bereits am Donnerstag soll in einer Arbeitssitzung über langfristige Unterstützung für die Ukraine gesprochen werden. Es geht um weitere Sicherheitsvereinbarungen zwischen den Staaten, aber auch um die Frage, ob die Zinsen eingefrorener russischer Vermögen verwendet werden können, um die Kosten für den Wiederaufbau zu decken. Die Hürden für die Zinsfreigabe sind hoch, sowohl politisch als auch juristisch. Schätzungen der Weltbank zufolge geht es um mindestens 450 Milliarden Euro.
Kyjiw will ein Ende des Krieges. Allerdings zu den Bedingungen der Ukraine. Die Friedenskonferenz am Wochenende in der Schweiz soll ein erster Schritt dahin sein – und kam auf Initiative der Ukraine und der Schweiz zustande. Russland wird nicht an dem Treffen auf dem Bürgenstock teilnehmen, auch eine chinesische Delegation wird nicht erwartet. Ein gemeinsamer Abschlusstext der rund 90 Delegationen ist derzeit nicht vorgesehen. Allerdings soll es bald eine weitere Friedenskonferenz geben, dann auch mit russischer Beteiligung.
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