Spaniens Fernbeziehung zur EU: Iberische Reisemuffel

In Spanien verstehen sich die Menschen größtenteils als Europäerinnen und Europäer. Die anderen EU-Länder bleiben ihnen meisten dennoch fremd.

Stau auf einer Autobahn in Deutschland

Abenteuer Deutschland: Bei Spaniern sind vor allem die Autobahnen gefürchtet Foto: imago

Wie in Spanien, nirgends sonst!“ – „¡Cómo en España, en ninguna parte!“ Das ist einer der beliebten Sprüche im Land. Viele Spanier und Spanierinnen sind davon überzeugt, dass es sich nirgendwo anders so gut leben lässt. „Klar, wenn sie nicht reisen, wie sollen sie es auch wissen“, entgegnete der Gemüsehändler hier im Stadtteil, der leider vor zwei Jahren verstorben ist, gerne. Er war oft in Schottland, wo seine Tochter erst studierte und dann in Folge der Eurokrise zum Arbeiten blieb. „Dort lebt es sich auch nicht schlecht.“

Es fahren wesentlich weniger Spanier als andere Europäer ins Ausland. Nur rund 11 Prozent derer, die sich einen Urlaub leisten können, lassen die Landesgrenzen hinter sich. Zum Vergleich: Bei den Deutschen, die verreisen, sind 39 Prozent. Wer dann aus dem Ausland nach Spanien zurückkommt, hat meist Interessantes zu erzählen – über Essengewohnheiten, herrliche Landschaften, schöne Städte und freundliche Menschen, die gar nicht solche „Quadratschädel“ sind, wie die Spanier denken.

Und sie vermitteln vor allem eines: Nämlich, dass es sich dort jenseits der Pyrenäen auch nicht schlecht leben lässt. Alles sei so ordentlich, so ganz anders als in Spanien. Nur eines gilt den meisten als gefährliches Chaos schlechthin – zumindest denen, die es mit dem eigenen PKW nach Deutschland geschafft haben: Der Verkehr auf deutschen Autobahnen, mit dem nur wenige wirklich zurechtkommen.

In breiten Teilen der Bevölkerung hält sich so eine seltsame Mischung: froh darüber zu sein, zur EU zu gehören, und nationaler Eigensinn. Neun von zehn Befragten fühlen sich irgendwie als Europäer, 45 Prozent gar vor allem als Europäer, so der Eurobarometer. Der Grund ist einfach: Die Spanier und Spanierinnen vertrauen den Institutionen in Brüssel mehr als den eigenen. Was dann jedoch verwundert: 53 Prozent geben an, nie mit Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten über die EU und die EU-Politik zu reden.

„España va bien“- „Spanien geht es gut“ – lautet einer dieser nationalistischen Sprüche, die jahrelang zu hören waren. Er stammt von José María Aznar aus seiner Zeit als Ministerpräsident, als die Bauspekulationen die Kassen klingeln ließen. „Und das Ausland erst“ entgegnete die Satire- und Comic-Zeitschrift El Jueves Monat für Monat als Unterzeile auf jeder Seite. Die Spekultationsblase platzte. Über 100.000 junge, meist gut gebildete Menschen treten seither jedes Jahr den gleichen Weg an, wie die Tochter des Gemüsehändlers. Sie emigrieren anderswo hin in die EU.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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