Nach den Wahlen in Indien: Modi ist auf Koalition angewiesen

In Indien dürfte Premier Narendra Modi trotz der Wahlschlappe schon diese Woche seine dritte Amtszeit antreten. Seine BJP ist aber geschwächt.

Anhänger des Premierministers Modi feiern.

Anhänger des Premierministers Modi feiern nach der Wahl am 4. Juni in Neu-Delhi Foto: Harish Tyagi/epa

BERLIN taz | Bis spät in die Nacht zum Mittwoch hat in Indien die Auszählung der 642 Millionen abgegebenen Stimmen der Parlamentswahlen gedauert. Das hatte Züge eines Thrillers mit knappen Siegen. Doch am Ende verlor Narendra Modis hindunationalistische Volkspartei BJP 62 ihrer Sitze im Unterhaus und kam nur noch auf 240 – ein unerwarteter Rückschlag.

Die Zeitung „Indian Express“

„Indien gibt der Koalition eine dritte Amtszeit und Modi einen Denkzettel“

Modis NDA-Allianz kommt zwar noch auf 294 der insgesamt 543 Sitze, aber das deutlich schwächere Mandat ist nicht das, was sich der 73-Jährige erhofft hatte. Er hatte 400 Sitze als Ziel ausgegeben. Dafür holte jetzt das Oppositionsbündnis INDIA 232 Sitze. Es wird von der Kongresspartei angeführt, welche die Zahl ihrer Mandate auf 99 fast verdoppeln konnte.

Trotzdem bereitet sich Modi schon auf die Amtseinführung am Wochenende vor. In Delhi zeigte er sich vor Parteimitgliedern unbeeindruckt: „Zum ersten Mal seit 1962 ist eine Regierung nach zwei Amtszeiten zum dritten Mal zurückgekehrt.“ Modi versprach, mit allen Bundesstaaten zusammenzuarbeiten.

„Indien gibt der NDA eine dritte Amtszeit und Modi einen Denkzettel“, bilanzierte die Zeitung Indian Express. „Die indische Wählerschaft (vor allem aus dem ländlichen Indien) hat die Demokratie am Leben erhalten“, kommentiert die renommierte Ökonomin Jayati Ghosh. Denn die BJP ist immer noch in Städten wie Delhi stark.

Koalitionsgespräche haben begonnen

Inzwischen ist die politische Führung des Landes in der Hauptstadt eingetroffen. Die Verhandlungen laufen in den beiden Lagern NDA und INDIA heiß. Zwei Königsmacher zeichnen sich ab: die erfahrenen Politiker Nitish Kumar (JDU) aus Bihar und Chandrababu Naidu (TPD) aus Andhra Pradesh. Sie dürften beide hart mit der BJP um Einfluss und Posten feilschen.

Bei dieser Wahl haben die Regionalparteien weiter an Einfluss gewonnen. In dem Sender India Today laufen Cartoons mit den Oppositionsführer:innen, die vor Freude singen und tanzen, darunter Mamata Banerjee (TMC). Denn in dem von ihr regierten Westbengalen in Ostindien etwa hat die BJP trotz großen Einsatzes ein Drittel ihrer Mandate verloren. Im westlichen Maharashtra schrumpfte die BJP von 23 auf 9 Mandate.

Was das Parlament in dieser Legislaturperiode nicht verspricht, sind mehr Frauen: Mit 75 Mandaten sind es sogar noch drei Frauen weniger als vor fünf Jahren.

Ohne Zweifel wurde Modis Macht klar eingeschränkt. Die Abgeordnete Schahina Gambir, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, sieht darin eine „Reaktion auf den Demokratieabbau unter seiner Herrschaft“.

Rückschläge durch Modis Hetze gegen Muslime

Die Abgeordnete der Grünen wies auch auf „die gezielte Hetze gegen die muslimische Minderheit seitens der BJP“ hin. In Wahlkreisen mit muslimischer Bevölkerung verlor die Partei des Regierungschefs, weil er sie indirekt als „die mit vielen Kindern“ und als „Eindringlinge“ bezeichnete.

Die Abgeordnete Gambir betont, dass Indien seit Beginn des russischen Angriffskriegs eine wichtige Mittlerrolle habe und zentral für den Umgang mit globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel sei.

„Deshalb ist und bleibt Indien trotz der Herausforderungen ein Partner in der Region und auf der Weltbühne“, so Gambir. Laut dem deutschen Botschafter in Delhi wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch in diesem Jahr in Indien erwartet.

Nach den Wahlen ist in Indien oft vor den Wahlen. In den nächsten sechs Monaten stehen mehrere Kommunalwahlen an, die über die Machtverhältnisse in der zweiten Parlamentskammer, dem Oberhaus, entscheiden und damit auch darüber, wie leicht die künftige Regierung ihre Agenda durchbringen kann.

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