wortwechsel: Disziplinierung weiblicher Körper
Wie schafft man eine Protestbewegung in der Pflegebranche? Warum regt mann sich über Achselhaare auf? Und Wildwasser e. V. gegen die Schließung von Mädchentreffs
Verluste der Pflegedienste
„Vier Minuten für die Strümpfe“, wochentaz vom 4. – 10.5. 24
Wie kriegt man in diesem Feld so was wie eine funktionierende Protestbewegung überhaupt hin?
Zum Beispiel so: Jeder ambulante Dienst streikt einmal im Monat. Er informiert rechtzeitig seine Klienten darüber. Angehörige pflegen ihre Leute am Streiktag selbst. Die Pflegedienste verpflichten sich, die für Angehörige undurchführbaren Behandlungspflegen – zum Beispiel sehr nässende, durchnässende Verbände –zu übernehmen, während ein Hormonpflaster am Streiktag auch von Angehörigen geklebt werden darf. Das Gesundheitswesen muss wieder flexibler werden, mehr Verantwortung den Pflegenden übertragen werden. Ein schwer kranker Mensch muss von Fachkräften gepflegt werden. Pflegen kann eben nicht jeder. Wenn Lauterbach meint, es müssten Gesundheitskioske her, so kann man allein daraus schon auf den Stellenwert der Pflege in der Gesellschaft schließen.
Pflegekräfte entscheiden über den Gebrauch eines Toilettenstuhls. Pflegekräfte entscheiden über Verbandsmaterial. Pflegekräfte entscheiden über Pflegebetten und Wechseldruckmatratzen. Pflegekräfte entscheiden, die können das.
Die Kosten für die Tagespflege haben sich hier bei uns in zwei Jahren von 92,48 Euro auf 103,40 Euro, auf 123,79 Euro und schließlich auf 134,18 Euro erhöht. Ja, was pflegerisch erbracht wird, braucht endlich Anerkennung. Dafür haben wir ja den Entlastungsbetrag.
Aber was ist das für eine Pflege, in der ich als Fachkraft nicht entscheiden darf, ob der Klient ein Fußbad oder eine Haarwäsche außer der Reihe bekommt, weil es laut Kostenvoranschlag nicht vorgesehen ist?
Was ist das für eine Pflege, wo Sterbenskranke die gleiche Zeiteinheit bekommen wie rüstige, gehfähige Patienten?
Was ist das für eine Pflege, deren Leistungen sich in erster Linie nach der Vergütung richten?
Was soll das für eine ambulante Versorgung werden ohne Pflegekräfte?
Eva Krebs, Lauffen am Neckar
Berühmt werden oder stören?
„5 dinge, die wir gelernt haben“, wochentaz vom 13. – 19. 4. 24;
„der comic“, wochentaz vom 20. – 26. 4. 24
Mir ist natürlich bewusst, dass sowohl „5 dinge, die wir gelernt haben“ wie auch „der comic“ unterhalten sollen. Dennoch stößt mir ein Subtext etwas auf: Beide framen den Vorfall in der Pinakothek der Moderne dahingehend, dass der Mitarbeiter sein Bild in der Pinakothek aufgehängt hätte, um „berühmt“ zu werden. Sie lassen dabei die Möglichkeit unbeachtet, dass er tatsächlich freischaffender Künstler sein könnte. Wie euch bekannt sein dürfte, müssen viele Künstler:innen neben ihrer künstlerischen Arbeit weiteren Tätigkeiten nachgehen, um Geld zu verdienen. Viel schlimmer ist jedoch, dass der künstlerische Ausstellungskontext, in dem sich der Fall ereignet hat, in den Beiträgen völlig außen vor bleibt. Zum Zeitpunkt des Vorfalls kuratierte die Pinakothek der Moderne die Ausstellung „Glitch. Die Kunst der Störung“. In einer Pressemitteilung beschreibt sie, dass sie mit der Ausstellung „der Kunst als Störung“ als einem globalen Phänomen nachspüren will. „Internationale Künstler:innen hinterfragen kritisch die Realitätsnähe der Medien, schaffen neue Welten oder decken normative Ordnungen und gesellschaftspolitische Disparitäten auf und machen nicht zuletzt Unsichtbares sichtbar“. Könnte es nicht gerade in diesem Kontext möglich sein, dass sich die Aktion auf diese Ausstellung bezog und keine Maßnahme darstellte, um zu Bekanntheit zu gelangen?
Lisa Graf, München
Sinnloser Artikel
„Wir sind keine Bulli-Schweine“,
wochentaz vom 4. – 10. 5. 24
Das war ein sinnloser und überflüssiger Artikel. Und dafür eine ganze Seite, puh! Dann besser eine Seite weniger Zeitung. Nur weil der Autor nicht den VW-Bus, den er gern gehabt hätte, kaufen konnte, schwurbelt er alle möglichen Gründe daher, warum es besser ist, keinen zu besitzen.
Urlaube in Herbergen, Hotels und Airbnb-Wohnungen – als wenn Letzteres nicht auch problematisch wäre in Bezug auf zu wenig Wohnraum – seien ja so viel schöner gewesen im Nachhinein, außerdem die Campingplätze zu voll.
Hertha Moss
Tierpfleger-Interview
„Ich muss die Natur haben, ich muss draußen sein“,
taz vom 4. – 10. 5. 24
Liebe Plutonia Plarre, das Interview mit Detlef Baumung ist Ihnen ganz wunderbar gelungen. Ich habe den Eindruck, dass Sie viel Freude an und mit Ihrem Gesprächspartner hatten. Eine tolle Lebensgeschichte. Man möchte ihm wünschen, dass seine Rentenzeit noch fern ist.
Martina Hoffmann, Hannover
Feministische Beschwerde
„Liebe Männers, warum regen euch Achselhaare bei Frauen auf?“,
wochentaz vom 6. – 12. 4. 24
Ich bin über den Artikel „Angst vor Achselhaaren“ in der Rubrik „die verständnisfrage“ ziemlich entsetzt. Nicht so sehr darüber, dass ein 22-jähriger Mann so eine Antwort auf die Frage gibt, warum sich Männer über Achselhaare aufregen. Denn dass es nach wie vor Männer (und ehrlich gesagt auch Frauen – ich bleibe hier mal im Binären, weil es der Text auch tut) gibt, die meinen, sich Urteile über Körper anderer Menschen anmaßen zu können – geschenkt. Ich verstehe nur nicht, warum ihr euch dafür entschieden habt, das zu veröffentlichen.
Die Rubrik „die verständnisfrage“ birgt natürlich das Risiko, dass „normale“ Menschen Meinungen äußern, die nicht dem entsprechen, was Journalist*innen in einer linken Tageszeitung schreiben würden. Der Unterschied zu den meisten anderen Fragen in der Rubrik liegt nämlich darin, dass es nicht um ein Verhalten wie Ski fahren, Müll in die Natur werfen oder Maske tragen beim Radfahren geht, sondern um den ganz normalen Körper von Frauen, und somit im Kern das betrifft, wogegen feministische Strömungen seit Jahrhunderten kämpfen: die Disziplinierung weiblicher Körper. Denn ich kann euch versichern, dass jede Frau, die sich bewusst dafür entscheidet, den eigenen Körper in puncto Haare so zu belassen, wie er nun einmal ist, und sich mit Achselhaaren und Beinbehaarung auf die Straße traut, ganz genau weiß, dass sie damit erstens gängige Normen durchbricht und zweitens auf Ablehnung stoßen wird. Das braucht man dann nicht auch in einer linken Tageszeitung zu lesen.
Josephine Just
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen