Kerstin Finkelstein Wir retten die Welt
: Für Freiheit braucht es kein Auto

Die Woche war ein einziges mobiles Highlight. Es begann mit einer Zug- und Faltradreise nach Nordhorn an der niederländischen Grenze. Meine Monate zuvor gebuchten Verbindungen waren gestrichen worden. Die Deutsche Bahn mailte, ich solle mir einen anderen Reiseplan ausdenken, die Zugbindung sei aufgehoben.

Längst vergessene Freiheitsgefühle tauchten auf. Das war ja wie früher: Ich hielt zu einem erschwinglichen Preis ein Ticket in Händen, mit dem ich jeden Zug zu jeder Uhrzeit in Richtung Reiseziel nehmen konnte!

In meinem Übermut suchte ich eine Verbindung heraus, die drei Zugwechsel beinhaltete – jeweils mit Umsteigezeiten unter 10 Minuten. Was soll ich sagen – alle (!) Züge fuhren pünktlich, ich fand Platz für mein Rad und mich und kam früh genug vor Ort an, um vor meinem Abendtermin noch ins Fahrrad-Eldorado Niederlande zu radeln. Der (Rad)Weg war breit und autofrei, die Vögel zwitscherten. Und ich hatte mich vom warmen Berliner Wochenstart blenden lassen, war viel zu dünn angezogen und klapperte mit den Zähnen.

Die 30 Kilometer Niederlande-Rundweg zog ich trotzdem durch, denn: Man nehme ein paar Poller, Bäume oder Wasser als Abstandshalter zum motorisierten Verkehr, probiere es also mal mit Infrastruktur – und schon macht Radfahren Spaß, sogar schlecht angezogen und tropfnass!

Am nächsten Tag fuhr ich zurück. Das Internet funktionierte im bereits fünften pünktlichen Zug am Stück, ich las Nachrichten: Der deutsche Autominister „drohte“ mit Kfz-Fahrverboten am Wochenende. Mit so viel spontaner Bewegung in der Verkehrspolitik hatte ich gar nicht gerechnet! Leider erwies sich das Ganze als Finte. Trotzdem freute ich mich: Wenn selbst in FDP-Köpfen Autofreiheit denkbar ist, war alles möglich!

Was alles auf zwei bis drei Rädern geht, sah ich dann am Wochenende. Mit den Kindern ging ich zur Fahrradmesse Velo. Der Nachwuchs wollte aber keine Hüpfburg oder Show, sondern Elektro-Lastenräder ausprobieren. Am liebsten mit mir selbst im Korb. Ich verbrachte einen Nachmittag als Last auf dem Testfeld, klammerte mich in den Kurven an den Holzwänden fest und malte mir eine durch Lastenräder gerettete Alltags-Welt aus: Ganz wie gesellschaftlich gerne gefordert bewegen sich Kinder auf ihren E-Lastenrädern draußen und eigenständig. Dabei lernen sie nicht nur eigene Orientierung, sondern verhalten sich auch sozial und wirtschaftstauglich, indem sie ihre Eltern mit dem Rad auf dem Weg zur Schule bei der Arbeit absetzen. Geschützt ist der Nachwuchs auch noch deutlich besser als zu Fuß oder per Kinderrad – schließlich sind Cargobikes nun wirklich schwer zu „übersehen“, und Angst vor Lackschäden sorgt selbst bei Rüpel-Autofahrern für genügend Abstand.

Ich kann individuell und gesellschaftspolitisch Eltern also nur den Kauf von Lastenrädern für ihre Kinder ans Herz legen! Das Kinderrad können sie dann am Wochenende benutzen, wenn die Straßen dank Fahrverboten sicher sind. Oder sie lassen das Kinderrad ganz sein und nehmen ein kleines Faltrad. Für die Visions-Zugfahrten Richtung Niederlande.