Boykottaufruf gegen Thalia-Theater: Joachim Lux spart sich die Frauen
Der Intendant des Thalia-Theaters stellt für die Abschiedssaison einen fast frauenfreien Spielplan zusammen. Pro Quote ruft zu Boykott auf. Zu Recht.
Z u Recht ruft der Verein „Pro Quote Bühne“ zum Boykott von Joachim Lux’ Abschiedsspielzeit am Thalia-Theater Hamburg auf. Tatsächlich wäre schon das Programm allein Grund genug dafür: Denn Lux boykottiert damit Frauen nicht zu 100, wohl aber zu 83,4 Prozent. An den beiden Spielstätten hat der alte weiße Dramaturg nämlich Sorge dafür getragen, dass bei 13 Premieren je ein Werk von einer Frau gezeigt wird und je eine weibliche Regiehandschrift sich bewähren darf. Bravo!
Das ist fast schon gut, misst man es an Lux’ essayistischem Schaffen, das mitunter schrille Blüten treibt: „Wir haben das Fremde vernichtet“, fasst er beispielsweise 2018 den Holocaust zusammen, „und mit ihm eine gesellschaftliche Elite.“
Klingt bekannt: Es ist Richard Wagners Definition des Juden als des Fremden an sich, die Lux in einem Text mit dem wagnerisierenden Titel „Die Zukunft des Theaters“ aufgreift. Eine Frau spielt darin keine Rolle, bis auf die mythologische Medea und Popstar Madonna, die wegen der Alliteration mit Mozart einen Cameo-Auftritt bekommt.
Schlimmer als Lux’ Spielplan selbst ist aber seine Begründung für die Frauenlosigkeit. Das sei nämlich gar kein Mangel an Wertschätzung, hat er dem Hamburger Abendblatt erläutert. Es gehe bloß in dieser Spielzeit darum, „langjährige Arbeitsbeziehungen noch einmal zu runden und abzuschließen“. Und da Lux auch früher auf Autorinnen und weibliche Regiehandschriften mit vorzüglichster Wertschätzung verzichtet hat, können sie im reaktionären Modus schulterklopfender Rückschau auch keine Rolle spielen. Das ist nur logisch.
Bloß: Wie kam es dazu? Auch darauf gab’s bei der Spielplan-PK eine Antwort: „Als wir 2009“ – kein Tippfehler, nicht 1909! – „in Hamburg angefangen haben“, so erinnert sich Lux, „gab es das geschärfte Bewusstsein nicht.“ Wahrscheinlich waren Frauen damals noch gar nicht erfunden. Es gab sie einfach nicht. Zumindest nicht in verantwortungsvoller Position. Also nicht in Hamburg. Im Theater.
Außer als … auch hier sind Lux’ Texte beredt: „Zwischen Elite, Kunst und Quote“ heißt einer von 2010, wobei Quote hier die Einschaltquote bezeichnet. Auch in dem bescheinigt er dem Medium Theater, eine Zukunft zu haben, „wenn es sich in den zentralen gesellschaftlichen Fragen der Gegenwart positioniert und einmischt“. Dort findet er auch eine Rolle fürs Zweite Geschlecht im Schauspielhaus: In dem nämlich prüft der sorgende Intendant am Morgen im Büro die Bilanzen während, „die türkischen Putzfrauen die Kaugummis unter den Sitzen entfernen“. Jeder und jede also an seinem Platz.
Es ist also schön, dass es zu Ende geht, mit Lux. Es wäre angemessen, wenn er auch von weiterem weltweitem Wirken als Theaterfunktionär absähe. Und klar verdient der Boykottaufruf von „Pro Quote“ alle Unterstützung. Zugleich wirft er, wirft die ganze Geschichte ein Schlaglicht aufs Feuilleton. Das hat sich das immerhin 16 Jahre bieten lassen, klaglos und unsensibel. Als wäre Geschlechtergerechtigkeit kein kulturelles Anliegen. Als hätte Theater ohne sie eine Gegenwart.
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