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: „Mein Protest ist dieses Stück“

Am ersten Best-Off-Festivaltag zeigt Zufit Simon „Radical Cheerleading“

Interview Harff-Peter Schönherr

taz: Frau Simon, sind Sie radikal?

Zufit Simon: Ja, in meiner künstlerischen Arbeit! Ich verfolge meine Ideen sehr konsequent. Ich gebe nicht auf, bis sie erreicht sind. Ich hinterfrage sie selbstverständlich und gehe an die Wurzeln.

Wie normabweisend und gesellschaftskritisch muss ich sein, damit „Radical Cheerleading“ für mich zu einer adäquaten Ausdrucksform werden kann?

Man sollte nie aufhören, kritisch zu sein. Es ist wichtig, Dinge infrage zu stellen, immer. Aber das muss jeder Mensch für sich selbst entscheiden: Wo ist die Grenze?

Setze ich nicht bereits ein Statement, indem ich mich für diese sehr besondere Form des Performativen entscheide? Sie versteht sich ja, in den 1990ern entstanden, als feministischer, linksgerichteter, genderbewusster Aktivismus.

Absolut. Mein Stück ist ein Ausdruck dessen, was mich prägt. Es hinterfragt die Gesellschaft, es hinterfragt mich selbst. Es thematisiert den Frauenkörper, den Menschenkörper, das Recht aller Lebewesen auf Selbstbestimmung. Nicht zuletzt wirft es einen kritischen Blick auf das klischeehaft-stereotype Frauenbild des klassischen, sportlichen US-Cheerleadings. Viele Aspekte spielen hier hinein: Ich als Frau, als Künstlerin, als Mutter, als Israelin …

Ihre Choreografie, die diese Form des Aktivismus adaptiert, sogar zu ihrem Titel macht, ist eine Form von Protest?

Auf jeden Fall! Das ist schon ein klares Statement, das Stück so zu nennen. Mein Protest ist dieses Stück.

Ihr Ensemble skandiert „Together we fight!“ und vor allem: „Power for the ­people!“. Welche Macht meinen Sie damit, und wofür soll sie eingesetzt werden?

Foto: Oliver Look

Zufit Simon

1980 geboren in Israel, ist Tänzerin und Choreografin sowie künstlerische Leiterin der Artblau Tanzwerkstatt Braunschweig. Ihre Stücke wurden bei zahlreichen Festivals aufgeführt, national und international.

Diese Macht kann überall eingesetzt werden. Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen ihre Stimme erheben müssen: Sind wir gemeinsam stark, können wir Veränderungen bewirken? Oft denke ich: Bringt es etwas, auf die Straße zu gehen, bringt es nichts?

Für was gehen Sie persönlich auf die Straße?

Ich befinde mich nicht gern in großen Menschenmassen. Ich gehe nicht auf die Straße, ich gehe auf die Bühne. So benutze ich meine Stimme. Das ist meine Kraft.

Danger Dan singt in „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, ein Sturmgewehr in der Hand: „Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst, ist das letzte Mittel, das uns bleibt, Militanz.“ Könnte man sagen: Auch Sie sind militant, aber auf friedliche, teils sehr humorvolle Art?

Das ist richtig. Auch mit Ironie und Leichtigkeit lässt sich eine sehr ernste, scharfe Botschaft transportieren. Humor ist nicht das Ziel, er ist das Mittel. Wer sich unwohl fühlt, verschließt sich, blockiert. Wir wollen Menschen aufschließen.

Aber ich muss mich als Zuschauer trotzdem wappnen?

Das Stück ist frontal und an die Zuschauer adressiert. Jeder Mensch ist für uns sichtbar, davor ist er nicht geschützt. Wir arbeiten auch mit Masken, die uns depersonalisieren, und zusammen mit unserem Bewegungsvokabular kreieren wir Bilder, wecken viele Assoziationen.

Festival „Best Off“: 11 Performing Arts-Produktionen, 17 Aufführungen, vom 25. bis 27. 4., Pavillon Hannover, Programm auf www.festival-best-off.de

Tanz­performance „Radical Cheerleading“, Zufit Simon/Artblau Tanzwerkstatt, 25. 4., Pavillon, Großer Saal, 20.30 Uhr

Sie arbeiten mit Nacktheit. Auch das ja kann ja Irritation bewirken.

Auf jeden Fall. Wir konfrontieren die Zuschauer mit der Frage: Was ist erotisch? Welche Körperteile werden sexualisiert?

Ihre Choreografie ist jetzt anderthalb Jahre alt. Verändert sie sich durch neue gesellschaftliche Diskurse, aktuelle Fehlentwicklungen?

Alle meine Stücke sind sehr prozesshaft. Ihre Entwicklung endet nicht mit der Premiere. Sie selbst verändern sich nicht. Aber die Art, wie man sie lesen kann.