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kritisch gesehen: „don quixote“ nach kathy acker und miguel de cervantes am theater bremenIm Kampf mit den Wortmühlen

Wie zerfließende Grabsteine ragen am Ende Eisblöcke auf der glatten blutroten Fläche: Neben ihnen stehen, einander in Distanz verbunden, die Ak­teur*in­nen Shirin Eissa, Jan Grosfeld und Jorid Lukaczik. In der Regie von Caroline Anne Kapp machen die drei in Bremen aus Kathy Ackers punkiger „Don Quixote“-Reprise ein fragmentarisches Theater der Liebestheorie. Es lässt sich zusammenfassen als Ent-Rüstung in neun eher fahrig verbundenen Episoden. Am Ende steht ein elender, nackter Tod.

Es ist nicht nötig, Miguel de Cervantes’Roman zu kennen, um mit seiner Aneignung durch Acker etwas anfangen zu können. Insofern ist auch wurscht, wenn auch seltsam, dass Dramaturgin Theresia Schlesinger glaubt, das durch Folter, Sklaverei, Menschenverbrennungen und Krieg geprägte Welt-Gefüge, durch das die Titelfigur irrt, wäre weniger brutal als das New York der 1980er. Klar war Ronald Reagan schlimm, aber so schlimm dann am Ende doch wieder nicht. Und eher hat wohl Cervantes’unerbittliche Lust an körperlichem Leiden Acker das geliefert, was sie brauchte, um ihre Stadt in Bilder politischer Düsternis zu hüllen. In die hatte sie als Hauptperson eine Wiedergängerin des Ritters von der traurigen Gestalt gesetzt, die sie, Genderkonventionen trotzend, schlicht Don Quixote nennt. Und die kommt halt auf den seltsamsten Gedanken, auf den je eine Frau verfallen ist: zu lieben.

Grandios übersetzt Shirin Eissa dieses flehentlich naive Liebe-Suchen in Augensprache: Es ist dem Publikum viel schwerer, sich ihren Scheinwerferblicken zu entziehen als den Fragen, die ihm anfangs an den Kopf geknallt werden: Ob es wisse, was Liebe sei? Wer aus dem Publikum geliebt werde? Ob jemand gerade verliebt sei? Und so halt.

Für die Reaktionen hat die Regie indes keinen Plan ausbaldowert und auch mit der Grenzüberschreitung durch Amina Nouns spartanische Kulisse fängt sie nichts an, die sich mit einem schönen Wumms selbst umbaut: Erst steht eine Wand mitten im Bühnenraum, um die herumgetrabt und die als Projektionsfläche für Zwischenüberschriften genutzt werden kann. Etwa nach der Hälfte fällt sie um, schickt einen mächtigen Windstoß in den Saal und ist fortan eine neue, die blutrot-glänzende Fläche, die immer noch als Projektionsfläche für Zwischenüberschriften genutzt werden kann.

Dass die Textbuchkompilatorinnen sich als fleißige Rezipientinnen von auch schon wieder antiquarischer soziologischer beziehungsweise semiotischer Liebestheorie beweisen müssen – Barthes, Luhmann, Illouz, bell hooks, wie verwegen! – ist okay, aber weder lehrreich noch bewegend. Schön wird es hingegen, wenn die drei Ak­teu­r*in­nen spielen, etwa wenn sich Eissa zum Beispiel den gummimenschelnden Jan Grosfeld als treuen Diener und Hund auf den Rücken schnallt, oder wenn sie, als ihr eigenes Pferd, über die Bühne trabt; oder wenn sich Jorid Lukaczik als misshandelter Schüler durch sie befreien lässt, nur um von ihr dann wieder seinem sadistischen Lehrer zugeführt zu werden.

Bloß geizt die Regie mit Szenen, löscht die Stadt als den Wirklichkeit garantierenden Bezugsraum und zwingt in unbändigem Diskurswollen Lukaczik stattdessen zum Kampf mit einer langen Textmontage, deren Siglo-de-Oro-Staubgehalt deutlich erhöht ist. Diese nichtssagende Wortmühle walzt wirklich alles kurz und klein, was ihr in die Quere kommt, ohne dass dieses Drama Gestalt annähme. Mehr Mehrdeutigkeit, mehr Bilder, mehr Welt, ach!, das wär’s gewesen. Benno Schirrmeister

Schauspiel „Don Quixote“: Wieder am 10. und 19. 4. sowie 16. 5., jeweils 20 Uhr, Theater Bremen, Kleines Haus

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