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Wenn im Bahnhof die große Oper anklingt

Heftig, wie ein zerplatzender Autoreifen, aber viel melodiöser knallt die Stimme auf den Bahnsteig: „Isangwä“ singt sie was Italienisch-Opernhaftes, während der Menschenstrom sie mit sich fortträgt vom Gleis, weg vom pünktlichen ICE aus Frankfurt, runter in die Unterführung des Bahnhofs Wilhelmshöhe, eher Verdi als Rossini. „Soltwo sangwä …“ schmettert sie in die kühle Vormittagsluft, mit gut artikuliertem „S“. Lage: Bariton.

Gar nicht schlecht! Mehrere schauen sich überrascht, belustigt, bewundernd nach der Schallquelle um, entdecken in der Menge aber keinen korpulenten Mann mit Spitzbart, der die Irritation beruhigend ins Klischee auflöst. Ihr Volumen würde wohl fürs Staatstheater reichen, „pwò lavarrlo trratscho“, auch wenn sie jetzt ziemlich presst und per Vibrato die Intonation verschmiert.

Kassel-­Wilhelmshöhe

12.260 Ein­wohner*innen.

Es ist der Stadtteil von Kassel, in dem der Bahnhof liegt, von dem die Fernzüge fahren, während der Stadtteil Mitte zwei Bahnhöfe hat, von denen die S-Bahn (Hauptbahnhof) beziehungsweise die Kultur abfahren (Kulturbahnhof).

Ist’s ein Sänger, der sich im Zug noch hektisch mit der Partie vertraut gemacht hat, weil er am Abend für den erkrankten Konkurrenten einspringt? Oder nur ein Angeber? Was erst nach Lust und Leidenschaft geklungen hatte, hallt nach als Mix aus Stress und Gewalt mit einem Hauch von Angst. Benno Schirrmeister

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