Berlin bekommt „Countdown“-Ampeln: Quark mit Balken

Berlins neue Fußgängerampeln mit Sonderanzeige bringen nix. Warum werden sie jetzt trotzdem installiert?

Ampel mit zusätzlicher Balkenanzeige

Am Fehrbelliner Platz steht noch eine Sonderampel – ein Überbleibsel des Verkehrsversuchs von 2016 Foto: IMAGO / STPP

In vielen Ländern kennt man sie: Fußgängerampeln, die mit Countdowns das Warten erträglicher und das Gehen sicherer machen. Ob Ampelmännchen oder -weibchen, rund oder eckig, angezeigt wird die verbleibende Zeit der jeweiligen Phase in Sekunden. Wer nun schon weiß, dass noch eine Minute lang zu warten ist, dem wird das nicht mehr ganz so endlos vorkommen. Und wer von Weitem sieht, dass nur noch ein paar Sekunden Grün ist, kann überlegen, ob er einen Zahn zulegt oder lieber auf die nächste Phase wartet.

In Deutschland sind das wilde Utopien. Hier ist für alle, die per pedes unterwegs sind, Grün oder Rot. Basta. Berlin geht aber nun einen Schritt voran, wie die Verkehrsverwaltung jetzt noch einmal bestätigt hat: Noch in diesem Jahr soll begonnen werden, bei Neubau oder Austausch von Lichtzeichenanlagen (wie sie offiziell heißen) ein weiteres Signal zwischen „Stehen“ und „Gehen“ zu setzen.

Das Symbol sieht aus wie ein sich perspektivisch verjüngender Zebrastreifen. Es leuchtet auf, sobald die Fuß-Ampel auf Rot springt, dann verschwinden innerhalb weniger Sekunden die einzelnen Balken. Ist der letzte erloschen, wissen die Überquerenden: Jetzt steht die Auto-Ampel auf Grün. Ganz ehrlich? Das Ganze ist großer Quark.

Das wissen Organisationen wie der BUND oder FUSS e. V., die das Projekt wiederholt kritisiert haben. „Countdown-Ampeln bringen Fußgängerinnen und Fußgängern keinen Vorteil“, heißt es vom BUND, „sie schützen nicht besser davor, überfahren zu werden, und reduzieren die Wartezeiten nicht.“

Das wissen auch alle, die sich damit gedanklich mal kurz auseinandersetzen. Denn welchen Nutzen hat die zusätzliche Information? Wer auf der Kreuzung vom Rotlicht überrascht wird, muss die Straße zügig überqueren, das gilt jetzt und weiterhin. Weil „zügig“ je nach Alter oder Fitness Unterschiedliches bedeuten kann, gibt es auch keine konkrete Zeitvorgabe. Keine Autofahrerin darf losbrettern, wenn noch jemand über die Straße humpelt.

Tatsächlich weiß das auch die Verkehrsverwaltung, denn sie kennt das Ergebnis eines Verkehrsversuchs von 2016, bei dem drei alternative Signale erprobt wurden: neben den Countdown-Balken auch das „Rotblinken“ und das „Grünblinken“. Bei Ersterem blinkt das rote Licht im selben Zeitraum, in dem auch das Countdown-Signal aktiv ist, bei Letzterem das grüne, kurz bevor die Ampel auf Rot springt, im Prinzip eine Art Gelbphase.

„Keine Verbesserung festgestellt“

Die Studie kam zu einem klaren Urteil über das Countdown-Symbol: „Im Vergleich zur Signalisierung Rot-Grün“ – also zum Status quo – „wurde keine Verbesserung festgestellt.“ Nur teurer wird es, was angesichts eines Extra-Signals nicht verwundert. Was der peu à peu vorgenommene Austausch kosten wird, mag die Verkehrsverwaltung zurzeit aber nicht beziffern.

Vermutlich lautet die Erklärung wie folgt: Die Countdown-Ampel bringt nichts, war aber die einzige der drei Optionen, die sich mit der Straßenverkehrsordnung vereinbaren lässt. Und irgendwas will die Senatsverwaltung ja vorzeigen können. Schließlich läuft auch für sie ein Countdown: In zwei Jahren ist schon wieder Wahlkampf.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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