orte des wissens
: Gezielte Therapien für die Jüngsten

Das Hamburger Kinderkrebs-Zentrum erforscht, wie sich heterogene Tumoren heilen lassen

Wenn bei einem Kind Krebs diagnostiziert wird, hat die Zukunft plötzlich Zeit. Alles ist nun darauf ausgerichtet, den Krebs zu knacken, diesen „König aller Krankheiten“ (Siddhartha Mukherjee). Das Kinderkrebs-Zentrum Hamburg leistet dabei Pionierarbeit.

In Deutschland erkranken rund 2.000 Kinder jährlich, rund 50 davon in Hamburg. Das Kinderkrebsregister gibt genaue Auskunft: Am häufigsten sind Leukämien, also Erkrankungen des Blutes (etwa 30 Prozent), gefolgt von Tumoren des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) mit 24 Prozent. Die Leukämie tritt vor allem im Alter von zwei bis vier Jahren auf, das Neuroblastom hingegen oft im Säuglingsalter. Auch wenn weniger als ein Prozent aller Krebserkrankungen bei Kindern auftreten, ist es bei ihnen die häufigste tödliche Erkrankung.

Seit 2006 setzt das Kinderkrebs-Zentrum Hamburg, angesiedelt auf dem Gelände des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE), seine Forschungskompetenz zum Wohle der erkrankten Kinder und ihrer Angehörigen ein. Es braucht große Geduld und Kraft, um die Behandlungen zu meistern: Die Therapien können Wochen oder Monate dauern und etliche Krankenhausaufenthalte erfordern. Kinder sind die größten Verlierer im Kampf gegen Krebs, da häufig akute Nebenwirkungen auftreten und es zu Spätfolgen im Erwachsenenalter kommt – etwa Wachstumsstörungen, Unfruchtbarkeit und Herzerkrankungen. Auch besteht das erhöhte Risiko einer weiteren Krebskrankheit.

Eltern erkrankter Kinder gründeten 1975 die Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e. V., damit Krebs bei Kindern besser erforscht und therapiert werden kann. Dank einer Großspende konnte der Verein den Grundstein für das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg legen. Das Institut mit heute rund 50 Mitarbeiter:innen, das etwa die Hälfte seiner Kosten durch Drittmittel abdeckt, ist auf Spenden angewiesen. Dafür engagiert sich die gemeinnützige Fördergemeinschaft. Durch die Spenden ist eine optimale medizinische und psychosoziale Patientenversorgung möglich, sie finanzieren Hilfen für bedürftige Familien sowie weitere Forschung.

Krebs bei Kindern ist eine Wissenschaft für sich, da er sich von Krebs im Erwachsenenalter unterscheidet. Am Hamburger Institut gibt es drei Arbeitsgruppen zu den häufigsten Erkrankungen – zu Leukämien, zu zellulären Therapien und Stammzelltransplantationen sowie zu Hirntumoren.

80 Prozent aller Betroffenen, die noch in den 1960ern kaum Heilungschancen hatten, überleben heutzutage

Neuropathologe Ulrich Schüller leitet die Arbeitsgruppe zu den Hirntumoren: „Viele Hirntumoren sind immer noch tödlich, gerade im Kindesalter. Wir als Wissenschaftler sehen uns in der Verantwortung, solche Tumoren besser zu verstehen und in der Konsequenz Substanzen zu identifizieren oder zu entwickeln, die das Tumorwachstum bremsen.“ Schüller beschreibt seine Sisyphusarbeit: „Kinder erkranken an ganz unterschiedlichen Arten von Hirntumoren. Im Kindesalter entstehen Tumoren zum Beispiel häufig im Kleinhirn, bei Erwachsenen eher im Großhirn. Zudem ist die den Tumoren zugrunde liegende Molekularbiologie eine ganz andere. Kindliche Hirntumoren zeichnen sich durch eine enorme biologische Heterogenität aus, viele verschiedene Arten mit unterschiedlichsten Lokalisationen im Gehirn, die in verschiedenen Entwicklungsstadien entstehen und teilweise noch nicht erforscht sind. Das macht die Diagnostik und damit die Therapie extrem schwierig.“

„Knack den Krebs“ – mit diesem Motto wollen das Institut und seine Fördergemeinschaft das Thema Krebs bei Kindern enttabuisieren und die Öffentlichkeit sensibilisieren. Der rasante Fortschritt der molekularbiologischen Forschung ermutigt, denn 80 Prozent aller Betroffenen, die noch in den 1960ern kaum Heilungschancen hatten, überleben heute. Und die Losung #knackdieletzten20 will Hoffnung machen, künftig einmal alle erkrankten Kinder heilen zu können. Frauke Hamann