berliner szenen
: Lunch mit den Talenten

Als ich um kurz vor zwölf auf die Berliner Philharmonie zusteuere, warten die Leute bereits dicht zusammengepfercht. Gibt’s was umsonst? Ja: Die Berliner Philharmonie lädt jeden Mittwoch um 13 Uhr zum kostenlosen Lunchkonzert. Ensemblemitglieder oder der Orchesternachwuchs der Karajan-Akademie spielen für rund 45 Minuten; davor haben musikhungrige Gäste auch Gelegenheit zu lunchen – Safranreis mit Rosinen und Aprikosen für 12, Chili con carne für 8 Euro oder, warum nicht, als Flüssignahrung eine Himbeer-Bowle.

Se­nio­r:in­nen nehmen die Einladung gern an: um 5 vor 12 stürmen sie den Saal, nur um enttäuscht festzustellen, dass die wenigen Stühle Gästen mit Schwerbehindertenausweis vorbehalten sind. Argwöhnische Blicke auf die dort Sitzenden: „Die sehen gar nicht schwerbehindert aus!“, murmelt eine ältere Frau. Dann sprintet sie weiter, zu den Tischen im Essensbereich: diese gilt es nun mit bösem Blick zu verteidigen. Die Schlange fürs Essen reicht fast bis zum Eingang zurück; Sparfüchse und Vor­aus­den­ke­r:in­nen essen auf den Treppen Mitgebrachtes. Dann heißt es warten, bis um 13 Uhr vier musikalische Wunderkinder des Musikgymnasiums Carl Philipp Emanuel Bach im Alter von 10 bis 12 Jahren in schwarzen Anzügen und roten Abendkleidern aufschlagen.

Das Piaschowa Quartett spielt Haydn, Dvořák, Schostakowitsch, Berwald und Piazzolla auf Violine, Viola und Violoncello ohne Noten. Meine Tischnachbarin erzählt von weiteren Wunderkindern der Kompositorenwerkstatt für Kinder zwischen 9 und 13 an der Staatsoper und dem Julius-Stern-Institut der UdK. Verlegen denke ich an mein 10-jähriges musikalisches Ich – „Ich geh nicht ohne dich“ von Big Brother-Walter – und hoffe, diese Wunderkinder kommen niemals in die Pubertät. MarielleKreienborg