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Berlin auf der ITB 2024Maskottchen rührt die Werbetrommel

Es geht wieder steil nach oben mit Besucherzahlen. Auf der ITB wird um mehr Touris geworben. Grüner kritisiert die unkritische Freude am Overtourism.

Auf der ITB am Berlin-Brandenburg-Stand: Kai Wegner und Franziska Giffey posieren mit Albert, dem Maskottchen für die Fußball-EM Foto: Andreas Hergeth

Berlin taz | Massenansturm am S-Bahnhof Messe Süd, das ist eine gute Nachricht: Die Mehrheit der Be­su­che­r reist am Dienstagmorgen mit der S-Bahn an. Bis Mittwoch findet die Internationale Tourismus Börse (ITB) statt, zum zweiten Mal nach Corona als Live-Event. Stand die Messe früher auch normalem Publikum offen, bleiben die internationalen Vertreter der Tourismusbranche nun unter sich.

In Halle 27 sind erstmals die Angebote aus den deutschsprachigen Ländern in einer Ausstellungshalle vereint. Berlin und Brandenburg teilen sich eine Ecke und verkaufen sich sinnigerweise als eine Urlaubsregion – „German Capital Region“ heißt es auf Englisch. Es gibt Getränke, ein Buffet und viele verschiedene Ansprechpartner.

Jeremy Poppen ist einer von ihnen. Er ist Mitarbeiter der Bermark Incoming GmbH, die es seit 2015 gibt und für Berlin-Besuchergruppen eine Reise nach Wunsch zusammenstellt, organisiert und durchführt. „Die ITB ist wichtig für die Akquise von Neukunden“, sagt Poppen.

Sein Chef stellt sich dazu. „Die ITB ist nun mal DER Treffpunkt für die gesamte Tourismusfamilie, der wichtigste Termin des Jahres“, sagt Christopher Schreiber auf die Frage, wie wichtig die ITB wäre. „Hier kann man viele Kunden persönlich sehen, das ist gut.“ Und teuer, könnte man hinzufügen. Die Teilnahme lässt sich die Firma mit neun Mitarbeitenden 3.000 Euro pro Tag kosten.

Das Spionagemuseum ist auch dabei

Andere Berliner Dienstleister beziehungsweise Anbieter, die sich mit ihren kleinen Ständen die analoge Präsenz leisten, sind zum Beispiel die Firma „Original Berlins Walks“, die Stadtführungen anbietet. Oder das Park-Inn-Hotel vom Alexanderplatz, der BER natürlich und die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss sowie das Deutsche Spionagemuseum.

Für den ITB-Auftritt der Hauptstadt hat visitBerlin den Hut auf: Unter dieser Marke agiert die Berlin Tourismus & Kongress GmbH, die „Destinationsmanagement“ sowie Tourismus- und Kongressmarketing für Berlin betreibt. Das Land Brandenburg ist durch die Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH (TMB) vertreten.

visitBerlin hatte bereits Ende Februar auf einer Pressekonferenz auf dem Fernsehturm – ein touristisches Highlight – Zahlen für das Jahr 2023 verkündet: „Die Erholung des Berlin-Tourismus setzt sich fort“, hieß es dort, als Zahlen der aktuellen Bilanz des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg veröffentlicht wurden. 12 Millionen Gäste waren demnach letztes Jahr in Berlin besucht und buchten 29,6 Millionen Übernachtungen, ein plus von 16 Prozent bei den Gästen, die Zahl der Übernachtungen nahm um 12 Prozent zu. Berlin gehöre „in Europa mit London und Paris zu den Top-Städten“, frohlockte bei diesem Termin SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey.

Diese Entwicklung ist gut für unsere ganze Stadt

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey

Tourismus und Berlin: In einem Atemzug werden Stichworte wie Weltoffenheit und Toleranz, Kultur und Kreativität, Kiez und Metropole gerne verwendet – neuerdings wird auch vom städteverträglichen Tourismus gesprochen. „Diese Entwicklung ist gut für unsere ganze Stadt und wir unterstützen die Branche auch weiterhin gezielt“, so Giffeys Devise.

„Albert“ heißt das Maskottchen der Fußball-EM

Ganz in diesem Sinne stand der Messerundgang von Giffey am Dienstagmorgen, die zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister unterwegs war. Punkt 10.16 Uhr biegt Kai Wegner um die Ecke und steuert den Pressesprecher von visitBerlin an. „Tach“, sagt der Regierende die Hand von Christian Tänzler schüttelnd, „mich zieht es immer gleich zu Berlin.“

Wegner und Giffey posieren für Bilder. Der Regierende sagt Sätze wie „in Berlin gibt es unglaublich viel zu entdecken“ auf die Frage, warum die ITB wichtig sei. Und Giffey schnappt sich für ein paar Fotos „Albert“ – so heißt das Maskottchen, das für die Uefa-Fußball-EM im Sommer Werbung macht. Das Event soll Millionen Gäste aus aller Welt in die Stadt locken.

In die deutsche Hauptstadt zieht es nach wie vor aber viele Deutsche; ein Trend, der sich in der Coronapandemie verstärkt hatte. 2023 lag der Anteil der internationalen Übernachtungen erstmals seit 2019 wieder bei über 40 Prozent. Internationale Gäste kamen vor allem aus Großbritannien (plus 35 Prozent), den USA (plus 19) oder Italien (23). Auch polnische Gäste reisten vermehrt nach Berlin (607.000 Übernachtungen, ein Plus von 30 Prozent).

Burkhard Kieker, Geschäftsführer von visitBerlin, sagt dazu: „Berlin ist angesagt. Von diesem Erfolg profitiert die ganze Stadt, insbesondere die Kultur-, Tourismus und Eventbranche.“

Die Going Local-App

Aber ist dieses „immer mehr“ eine gute Entwicklung? Immerhin gibt es seit einigen Jahren die Bestrebungen, die Touristenströme aus der Innenstadt heraus zu locken – in andere, nicht so angesagte Kieze, die dennoch Sehenswürdigkeiten bieten. „Berliner Bezirke“ ist einer der Stände, an denen es Informationen über die App „Going Local Berlin“ gibt, die seit über 10 Jahren versucht, Berlin-Besucher für etwas Anderes zu inspirieren als Museumsinsel & Co.

„Die Reisen individualisieren sich immer mehr“, sagt visitBerlin-Sprecher Christian Tänzler der taz, „und da bieten sich die Berliner Bezirke an.“ Gartenfreunden würden die „Gärten der Welt“ in Marzahn gefallen. Naturfreunden das Tegeler Fließ mit seinen Wasserbüffeln. „Und Wassersportfans würde ich nach Treptow-Köpenick schicken.“ Genau das macht die App.

Von Overtourismen – also dem Massentourismus und seinen negativen Folgen für die Stadt und ihre Be­woh­ne­r:in­nen – ist allerdings keine Rede. Dass dies jedoch „definitiv ein Problem in der Stadt ist“, sagt Julian Schwarze, Sprecher für Tourismus der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, der taz.

„Das ist in der Tourismuspolitik des Landes Berlin völlig ausgeblendet worden. Bis 2016 ging es immer nur um das Mehr und neue Besucherrekorde.“ Mit dem damaligen Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün sei dieses Konzept überarbeitet worden, stadtverträglicher Tourismus ein Thema geworden. Schwarze: „Derzeit erleben wir wieder einen Schwenk – Hauptsache, Besucherrekorde.“

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