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Parteiübergreifendes SpitzentreffenWagenburgmentalität soll enden

Regierungschef Wegner (CDU) verabredet erstmals mit Fraktionen von Grünen und Linkspartei Schritte zur Verwaltungsreform. Auch die Bezirke machen mit.

Regierungschef Kai Wegner (CDU) lud alle Fraktionsspitzen ein, um gemeinsam die drängende Verwaltungsreform auf den Weg zu bringen Foto: dpa

Berlin taz | Regierungschef Kai Wegner (CDU) hat am Donnerstag bei einem Treffen mit den führenden Köpfen aller Parlamentsfraktionen – außer der AfD – Schritte zu einer Verwaltungsreform verabredet. Die gilt seit Jahrzehnten als überfällig.

Ziel ist es, bis Jahresende ein Gesetzespaket ins Abgeordnetenhaus einzubringen, zu dem auch eine Verfassungsänderung gehören könnte. Im Kern geht es um eine genaue Festschreibung, für welche Aufgaben die Senatsverwaltungen und für welche die Bezirke zuständig sind. Alle Beteiligten – von CDU bis Linkspartei – lobten anschließend vor Journalisten die Atmosphäre des zweistündigen Gesprächs im Roten Rathaus.

Eine solche Verabredung zu dem Thema gab es in Berlin bislang nicht. Wegner hatte im Herbst 2023 zwar schon mit den zwölf Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeistern zur Verwaltungsreform zusammengesessen. Auch hatten fast alle Fraktionen und Parteien schon Papiere und Konzepte dazu entwickelt. Auf der Ebene der Fraktionsspitzen im Landesparlament aber war es eine Premiere.

Sollte eine Verfassungsänderung nötig sein, sind Wegner und seine vor rund zehn Monaten beschlossene schwarz-rote Koalition auf Stimmen aus der Opposition angewiesen: Für eine solche Änderung braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also 67 Prozent Zustimmung – CDU und SPD verfügen nur über 54 Prozent der Sitze. Laut Wegner soll das aber nicht die alleinige Motivation sein, Grüne und Linkspartei miteinzubeziehen.

Welche Kompetenzen künftig wo angesiedelt sein sollen, mochte Wegner nicht vorwegnehmen: Dann hätte er ja die Arbeitsgruppen nicht einsetzen müssen, die sich wöchentlich träfen und darüber beraten würden. Klar ist für ihn nur, dass das gegenwärtige und immer wieder kritisierte Allgemeine Zuständigkeitsgesetz weg und durch eine neue Regelung ersetzt werden soll.

Grüne Jarasch will breit getragene Reform

Wegner und andere Teilnehmer betonten nach dem Treffen, dass bei der Reform Parteibücher keine Rolle spielen würden. „Da gibt es keine ideologische Entscheidung“, sagte er. Es gebe dabei kein rechts oder links, sondern nur richtig oder falsch. Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch sah das ähnlich: „Es sollte kein Projekt sein. dass bei einem Regierungswechsel 2026 wieder abgewickelt wird“, sagte sie – alle Beteiligten müssten es mittragen.

So sehr sich die Journalisten auch mühten, mit Fragen Risse und Widersprüche herauszuarbeiten: Egal ob Linksfraktionschefin Anne Helm oder Mittes Grünen-Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger, sie alle stimmten Wegner zu und stellten die Notwendigkeit gemeinsamen Arbeitens bei diesem immer wieder aufgeschobenen Großthema heraus. Jaraschs Co-Fraktionschef Werner Graf hatte daran erinnert, dass schon vor 30 Jahren dazu eine Studie des Beratungsunternehmens PWC vorlag.

„Wir haben keine Wagenburgmentalität mehr“, sagte Remlinger. Und Helm versicherte: „Das gemeinsame Gefühl der Verantwortung ist heute deutlich geworden.“ Keiner und keine, so der Tenor der Äußerungen, habe bei dem Treffen Forderungen erhoben und die mit der Drohung verbunden, bei Nichterfüllen auszusteigen. Im Mai will man sich in dieser Runde erneut treffen, im Juni will Wegner wieder mit den Spitzen der Bezirke zusammensitzen.

Der parteiübergreifende Ansatz des Regierungschefs freut in der CDU dem Vernehmen nicht alle. Wie er sich denn mit der Linkspartei an einen Tisch setzen könne, hat sich Wegner offenbar schon anhören müssen. Gemessen an hart geführten Debatten bei anderen Themen dürften auch die Spitzen von Grünen und Linkspartei mit ihrem Auftritt nicht alle in ihren Parteien begeistert haben, wo Wegner schon Rassismus vorgeworfen wurde.

Keiner der Beteiligten mochte bestreiten, dass der Weg zur Reform schwierig wird – „da ist noch viel Butter bei die Fische zu geben“, also viel zu tun, beschrieb es der Grüne Werner Graf. Aber diese Butter, so gab er zu verstehen, entstehe gerade.

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