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: „Frauen kennen viele dieser Situationen“

Beziehung braucht Kompromisse: Regisseurin Marga Koop über Sivan Ben Yishais Stück „Liebe/Eine argumentative Übung“

Interview Robert Matthies

taz: Frau Koop, was genau wird argumentativ geübt in dem Theaterstück „Liebe/Eine argumentative Übung“?

Marga Koop: Im Kern geht es um die Frage, wie kann ich eine Beziehung führen und Feministin sein? Wie viele Kompromisse darf ich in einer Liebesbeziehung eingehen, wenn ich mich selbst nicht verlieren will? Wie bekomme ich meine Werte, Normen und Bedürfnisse so in der Beziehung untergebracht, dass ich mich dabei selber nicht aufgebe? Irgendwelche Kompromisse wird man ja in jeder Beziehung eingehen müssen. Aber wo ist die Grenze?

Sivan Ben Yishais Stück handelt von der Beziehung zwischen Olivia und Popeye. Sie unterstützt seine künstlerischen Projekte, aber er liest ihre Romane nicht. Geht es also darum auszuloten, wann sich eine Frau in einer Beziehung selbst aufs Spiel setzt?

Genau. Und zu fragen: Was passiert da eigentlich gerade? Woher kommen diese Punkte, denen ich folge, obwohl ich das innerlich gar nicht will? Woher kommt es, dass das so tief in mir drinsteckt? Das Stück spielt auch damit, dass es diese verschiedenen Positionen gibt: die des Vaters, der Großmutter und so weiter; dass gesellschaftliche Normen in einem verankert sind. Wie kommt es, dass mich das hindert, obwohl ich etwas ganz anderes will?

Foto: Theater Wrede+

Marga KoopSchauspielerin, Performerin, Dramaturgin und Regisseurin, ist künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des Theater Wrede+.

Das passt zu den anderen Stücken, die Ihr Ensemble „ko.produkt“ entwickelt hat, etwa Werner Schwabs „Die Präsidentinnen“ oder Geraldine Arons „Meine tolle Scheidung“. Sie beschäftigen sich immer wieder bewusst mit weiblichen Perspektiven und Geschlechterfragen?

Das war der Anlass für die Gründung, eine feministische Sicht auf Stücke; dass immer Frauen im Mittelpunkt stehen. Aus meiner eigenen Erfahrung als Schauspielerin weiß ich, dass es wenige Stücke für Frauen gibt. Mir war es wichtig, diesen Bereich zu füllen und auch möglichst mit Frauen auf der Bühne zu stehen, also mit Kolleginnen.

Was hat Sie konkret an „Liebe“ gereizt?

Premiere: Sa, 2. 3., Theater Wrede +, Oldenburg. Weitere Termine: 8. + 9. 3.; 5. + 6. 4., alle 20 Uhr

Es ist ein sehr starker, berührender Text, der mit großer Leichtigkeit Klartext redet und dabei immer humorvoll und poetisch bleibt. Das Besondere ist weiterhin, dass es keine festgelegten Rollen gibt, beziehungsweise überhaupt keine Rollen. In unserer Inszenierung gibt es zwei Live-Erzählerinnen und jede von uns wird von zwei weiteren Videofacetten ergänzt. So verschaffen wir den verschiedenen Perspektiven der Themen Gehör und beleuchten sie. Der innere Prozess Olivias wird somit sichtbar und hörbar gemacht.

Noch mal zurück zur argumentativen Übung: Funktioniert sie? Werden die Punkte deutlicher, an denen eine Frau sich verliert?

Aus Gesprächen über das Stück weiß ich, dass es viele Frauen betrifft, die eine Menge dieser Situationen, die darin vorkommen, kennen. Einige hat das Reden über das Stück sogar dazu gebracht, mit ihrem Partner zu sprechen. Und das ist ja immer das A und O, dass man sich unterhält, wenn einem etwas fehlt, wenn Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Dass das schon über das Erzählen über dieses Stück passiert ist, ohne dass es jemand gesehen hatte, das spricht für die Stärke des Textes. Wichtig erscheint mir auch, Olivias tabulose Auseinandersetzung mit ihrer unbefriedigten Lust in der Beziehung mit Popeye. Und weibliche Lust und Sexualität sind ja eher selten Thema von Theaterstücken.