FC Bayern und Trainer Thomas Tuchel: Schwierige Abschiedstournee
Der Erfolg des FC Bayern gegen Leipzig wirkt nach der aufgekündigten Zusammenarbeit mit Trainer Tuchel kaum befreiend. Vieles bleibt unklar.
Am Ende des Abends war noch einmal die ganze Kreativität von Thomas Müller gefragt. Es gab zwar nur eine Lösung des Problems, die Flucht nach rechts hinten, um die Sponsorenwand herum. Es bedurfte aber mehrerer Versuche, ehe der Spieler des FC Bayern entkam.
Immer wieder wurde er gebremst. Von Fragen, auf die Müller keine Antwort geben konnte oder keine geben wollte. „Inhaltlich“, sagt er, habe sich nichts verändert nach der Entscheidung unter der Woche, dass sich die Wege von Thomas Tuchel und des deutschen Rekordmeisters trennen werden. „Wir alle machen das Beste daraus.“ Das Beste aus einer Situation, die nicht ganz einfach ist.
Die Bayern müssen die Saison würdevoll zu Ende bringen, zusammen mit Tuchel. Ob das gelingt, ist fraglich. Das 2:1 in der Bundesligapartie gegen RB Leipzig am Samstag, der erste Sieg nach drei Niederlagen, könnte ein Anfang gewesen sein, mehr aber auch nicht. Weder wirkten die Spieler viel befreiter, noch schien Tuchel seine Ankündigung umzusetzen, nun weniger Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen zu müssen, sondern vielmehr seinen Plan durchziehen zu können.
In der Startelf standen mit Thomas Müller und Mathijs de Ligt Profis, die nicht im Verdacht stehen, Thomas-Tuchel-Spieler zu sein. Und die Versetzung von Joshua Kimmich vom Mittelfeld auf die rechte Außenverteidigerposition hatte vor allem mit der Personalsituation zu tun. „Ich hätte nicht mehr genau gewusst, wer sonst noch rechter Verteidiger spielen sollte“, sagte Tuchel.
Wo ist das Problem?
Die Partie gegen Leipzig sah lange wie eine Blaupause der Spiele in Rom und Bochum aus. Dieses Mal nur eben mit gutem Ende, weil Harry Kane nach ein paar vergebenen Chancen erst das 1:0 und in der Nachspielzeit den Siegtreffer erzielte, weil „die Delle“ (Müller), die sich die Bayern ja schon fast traditionell erlauben, dieses Mal nach dem Ausgleich durch Benjamin Sesko nicht im totalen Kontrollverlust endete, sondern ein Aufbäumen zu erkennen war.
Der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen sprach von einem „ersten Schritt“ und sonst davon, warum Tuchel bald nicht mehr Bayern-Trainer sein wird. „Wir haben gesehen, es funktioniert so nicht.“ Mit Tuchel und der Mannschaft, aber ob wegen Tuchel oder wegen der Mannschaft, das blieb offen. Antworten darauf muss Max Eberl finden, der an diesem Montag als neuer Sportvorstand installiert werden soll.
Auf den Versuch, sagte Müller, „irgendwelche Sticheleien zu verteilen, darauf springen wir nicht an“. Aber das Spiel gegen Leipzig zeige, „dass das Tischtuch nicht völlig zerschnitten ist, auch wenn wir unsere Probleme in der Vergangenheit hatten“. Seinen Worten in dieser Causa wird besondere Bedeutung beigemessen, weil er unter Tuchel keine große Rolle mehr gespielt hatte. Anders als Kapitän Manuel Neuer, der vielleicht auch deshalb das gesamte Team mit in die Verantwortung nimmt. „Es nicht wie in der Schule, dass der Lehrer schuld ist, weil die Zeugnisnoten schlecht sind“, sagte er gegenüber Sky und findet: „Das wirft immer ein schlechtes Bild auf die Mannschaft und die Spieler, wenn man es mit so einem Toptrainer nicht geschafft hat.“
Tuchel hat es nach dem Sieg sogar gewagt, bei der Suche nach den Gründen, warum es nicht so richtig gefunkt hat zwischen ihm und der Mannschaft, mehr auf die anderen als auf sich zu zeigen. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich der Stein auf der Brust bin“, die schwere Last, die die Bayern so oft gelähmt hat in den vergangenen elf Monaten. Es ist in seiner Situation auch nicht verwerflich, dass er sich den Sieg gegen Leipzig auch ein bisschen ans eigene Revers heftet. Mit „einer kleinen Umstellung in der Systematik“ habe man versucht, der Mannschaft zu helfen – mit Erfolg. Mathis Tel sorgte vorne für Wirbel, Eric Maxim Choupo-Moting gab die Vorlage zum 2:1.
Ausgerechnet Müller sprang für Tuchel in die Bresche. Bei Bayern gehe es nicht nur darum, Titel zu gewinnen, stellte der x-fache Meister und Pokalsieger fest. „Es ist hier die Pflicht, extreme Dominanz und eine positive Spielkultur zu zeigen. Deshalb scheitern immer wieder mal Topspieler und Toptrainer an dieser Herkulesaufgabe“, sagte Müller. Ehe er danach hinter der Sponsorenwand verschwand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!