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Performance von Henrike IglesiasTanzend Richtung Mars fliegen

Das Performance-Kollektiv Henrike Iglesias erobert mit „Space Dudes“ den Weltraum. In den Sophiensälen ging es auf queer-feministische Mission.

Die Performerinnen von Henrike Iglesias tragen Raumanzüge von Kostümbildnerin Nadine Bakota Foto: Paula Reissig

Elon Musk verliert die Kontrolle über den von ihm finanzierten ersten befrauten Flug auf den Mars! Da hatte er sich doch tatsächlich mit dem Berliner Performance-Kollektiv Henrike Iglesias eingelassen. Die haben den Elektriker Frank mit dabei, bauen sich mit seiner Hilfe auf dem Mars einfach ihre eigenen Satelliten und schießen die ins All. Frank klaut Herrn Musk auch noch die Stimme. Hilfslos schreit der: „Das ist illegal!“ Anna, Sophia, Frank und Hyusin tanzen da längst in die Weiten des Mars' hinein.

Kampfbreite Aufbruchstimmung durchzieht die Sophiensäle. 80 Minuten lang wird eine der letzten von weißen cis-Männern besetzte Domäne demontiert und queer-feministisch besetzt: die Raumfahrt. Lang ein Monopol von einigen wenigen Nationalstaaten, wird sie zunehmend zum Spielplatz hyperreicher, abgedrehter weißer Männer wie Elon Musk, die verstanden haben, dass hier Macht generiert werden kann. Jetzt aber springen Anna Fierz und Sophia Schroth von Henrike Iglesias, Frank Häusermann vom Zürcher Theater Hora und die Performerin Olivia Hyusin Kim auf den Zug auf.

Die „Space Dudes“ nehmen sich aber auch historische Ereignisse der Raumfahrt vor. So machen sie sich ziemlich genial lustig über die Inszenierung der ersten Mondlandung, indem Sophia Schroth die zur Ikone gewordene Flaggenszene imaginär nachspielt. Nachdem die Truppe mithilfe eines Trampolins, zwei runder Leuchtstoffröhren und viel Bühnennebel trashig-theatral auf dem Mars gelandet ist und sich von Elon Musks Einfluss befreit hat, zieht frau die imaginäre Flagge wieder aus dem Boden raus.

Davor sammelt man noch interessante Erfahrungen mit der fehlenden Schwerkraft, indem man Fitnessgeräte fantasievoll zweckentfremdet und das Ganze für fiktive Follower mit der Handkamera aufnimmt. Und da im Saal das Reale und der Kameraausschnitt gleichzeitig zu sehen ist, ist der humorvoll-ironischen Zugriff offensichtlich. So hängt Anna Fierz kopfüber auf der Fitnessbank, im Video stehen ihr die Haare zu Berge, sie scheint zu fliegen und frisst eine Banane. Die luftigen Raumanzüge, die einige Raumfahrten in den Sophiensälen überstehen müssen, hat Kostümbildnerin Nadine Bakota aus einem Strandzelt, einem Fallschirm und einigen BHs gefertigt.

Zu wenig Raumklamotte

Erkenntniswert gewinnt mensch auch über queer-feministische Quizeinlagen. So waren laut „Space Dudes“ bisher 645 Menschen im Weltall, davon 570 endo cis Männer und 75 endo cis Frauen. Und: Vor fünf Jahren scheiterte der erste All Women Spacewalk, weil zu wenig Raumklamotte in Größe M an Bord da war, nämlich nur ein einziger Raumanzug. Die Performerinnen sprechen auch über ihre persönliche Begeisterung für Weltall und Raumfahrt. Das wird in einem Videoeinspieler inszeniert und kommt sehr authentisch rüber. So interessiert sich Marielle Schavan, die leider kurz vor der Premiere erkrankt war, für die Thematik, weil sie sich durch Sally Ride, die erste queere Astronautin im All, repräsentiert fühlt.

„Space Dudes“ ist eine „relaxed Performance“. Mensch kann in einem Sitzsack sitzen, darf trinken, wird sogar ermuntert, rauszugehen und wieder reinzukommen. Hut ab vor der hohen Toleranzbereitschaft der Performerinnen, die den Kreis der BesucherInnen so weit wie möglich öffnen wollen. Und die eine ebenso unterhaltsame wie tiefschürfende Empowerment-Performance hinlegen, dass einem die Ohren wackeln.

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