Probleme in Berliner Haftanstalt: Zu wenig Platz im Knast

In der JVA Tegel wurden Legionellen-Keime im Wasser entdeckt. Das Problem verweist auf strukturelle Missstände: Überbelegung und Sanierungsstau.

Justizbeamter steht auf einer Brücke in einem Gefängnistrakt

Zu alt, zu klein: Altbau der JVA Tegel Foto: IMAGO / IPON

BERLIN taz | Die einen fordern seit Jahren ihre Schließung, die anderen lassen sie lieber renovieren: die noch in der Kaiserzeit gebaute Teilanstalt II der JVA Tegel. Der typische panoptische Bau hat vier Flügel, drei davon sind mit Gefangenen belegt. Die Zellen sind klein, die Infrastruktur ist schon lange nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Nacheinander sollen nun die Flügel saniert werden – zumindest so, dass der Brandschutz wieder den Bestimmungen entspricht.

Seit rund anderthalb Jahren läuft die Sanierung des C-Flügels. Am 15. Januar und in den darauffolgenden Tagen wurden rund 85 Gefangene aus dem A-Flügel dorthin verlegt. Am 18. Januar dann wurden die Duschen wegen einer „technischen Störung“ geschlossen, wie laut taz-Informationen ein Zettel an den Nassräumen erklärte. Eine Woche darauf verbreitete sich das Gerücht, der wahre Grund dafür seien Legionellen im Leitungswasser.

Die Bakterien, die die Legionärskrankheit und das Pontiac-Fieber auslösen können, vermehren sich am besten in Wasser bei Temperaturen zwischen 25 und 45 Grad Celsius. In Duschräumen herrschen also optimale Bedingungen. Abgetötet werden Legionellen ab 60 Grad.

Auf taz-Anfrage bestätigt die Justizverwaltung „erhöhte Legionellenwerte“. Das Gesundheitsamt sei informiert, die Leitungen würden täglich durchgespült, die Vorlauftemperatur der Warmwasseranlage sei auf 65 Grad erhöht worden. Zudem habe man Legionellenfilter installiert. Nun warte man noch auf eine Nachuntersuchung. In der kommenden Woche soll das Problem – hoffentlich – behoben sein.

Moderne Gefängnisbauten haben längst Nasszellen in den Hafträumen. In der Teilanstalt II gibt es allerdings noch Gemeinschaftsduschen. Bei voller Belegung teilen sich im A-Flügel in der Regel etwa 12 Gefangene eine Dusche, im B-Flügel sogar 15. Drei Wochen lang müssen sie sich nun die Duschen mit rund 90 weiteren Häftlingen aus dem C-Flügel teilen. Die könnten „mehrmals pro Woche“ duschen, je nach Job auch häufiger. Wer als Hausarbeiter, in der Küche oder der Kantine tätig sei, dürfe täglich duschen, heißt es aus der Senatsverwaltung.

„Belastende Situation“

„Der JVA Tegel ist bewusst, dass die aktuelle Situation in der Teilanstalt II für die dort untergebrachten Gefangenen eine belastende Situation darstellt“, sagt ein Sprecher der Justizverwaltung der taz.

Aber warum verlegt man die Gefangenen nicht zurück in den leeren A-Flügel, bis das Problem behoben ist? Weil der gar nicht mehr leer steht: Ebenfalls ab Mitte Januar wurden dort mehr als 80 Insassen aus der JVA Moabit untergebracht. Denn die ist überbelegt. Bereits Anfang Dezember berichtete die taz über einen „unerklärlichen Zuwachs an Untersuchungshäftlingen“, sodass die Haftanstalt am 15. November zu 103 Prozent ausgelastet war, am 29. November immerhin noch zu 101 Prozent. Ende Januar waren es dann 98 Prozent.

Mehr als 90 Prozent sollten es jedoch eigentlich nicht sein, da die Anstalt immer Spielraum braucht, um kurzfristig auch größere Zahlen von Untersuchungsgefangenen aufzunehmen. Immer wieder kommen Gefangene aus Moabit nach Tegel. Doch 85 Gefangene auf einmal, das ist ungewöhnlich.

Thomas Goiny, Berliner Landesvorsitzender des Bunds der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands, sagt der taz, die Information über die Verlegungen sei „überraschend“ gewesen. „Die Weisung kam von heute auf morgen“ und habe zu einer „deutlichen Mehrbelastung“ der Beamten geführt. Schließlich müsse jeder Haftraum gereinigt werden, bevor er wieder bezogen werden könne. „Wir wollen’s ja auch richtig machen.“

Die Verlegung aus Moabit hat noch eine weitere Auswirkung: Die Sanierung des A-Flügels wird sich nun verzögern. Doch wie lang? Die Senatsverwaltung für Justiz will sich nicht festlegen. Ein Sprecher spricht vage von einem „späteren Zeitpunkt, der aktuell noch nicht feststeht“.

Mit dem Kopf neben dem Klo

Die Inhaftierten sind in der Teilanstalt II in 7,8 Quadratmeter großen Zellen untergebracht. Sie schlafen mit dem Kopf praktisch neben dem Klo, wie Anstaltsleiter Riemer vor Kurzem im taz-Interview zum 125. Geburtstag der Anstalt sagte. Eine Sanierung ist daher längst überfällig. Die kürzlich abgeschlossenen und noch geplanten Arbeiten lösen das Problem allerdings nicht – sie sollen vor allem den Brandschutz auf den aktuellen Stand bringen.

Um die Teilanstalt II richtig sanieren zu können – und weil die Gefangenenzahlen absehbar nicht sinken werden –, soll nun ein Neubau entstehen. Die Pläne stammen noch von Thomas Heilmann (CDU), Justizsenator von 2012 bis 2016, sie wurden unter Rot-Rot-Grün gestoppt und von der aktuellen schwarz-roten Regierung wieder aufgenommen. 2025 soll Baustart sein. Viel zu spät, findet – wohl nicht nur – Thomas Goiny.

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