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Kosten von InvestitionsschutzDeutschland vor Gericht

23 Millionen Euro kosten die laufenden Klagen von Unternehmen gegen die Bundesrepublik. Die Linke fordert ein Ende der Verfahren gegen Staaten.

Strabag gegen Deutschland: Die Klage von 2019 kostet bislang fast 13 Millionen Euro Foto: Blatterspiel/imago

Berlin taz | Durch Investitionsschutzabkommen können Unternehmen vor privaten Schiedsgerichten Staaten verklagen. Aktuell gibt es vier laufende Klagen gegen Deutschland. Dafür hat die Bundesrepublik bislang 23 Millionen Euro Verfahrenskosten bezahlt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linken hervor.

„Anstatt Konzerne für Umweltzerstörung zur Verantwortung zu ziehen, erpressen diese über Schiedsgerichte 'Entschädigungen für Kosten und theoretisch entgangene Gewinne’, wenn sie die Zerstörung beenden mussten“, sagt Ralph Lenkert, Energiepolitischer Sprecher der Linken. „Schiedsgerichte sind teuer, intransparent, demokratiefeindlich und werden von Anwaltskanzleien und internationalen Konzernen zur Profit­er­wirt­schaftung missbraucht“, so Lenkert. Die Linke fordert, alle Verträge mit Schiedsgerichtsverfahren zu kündigen.

Fast 13 Millionen Euro kostet bislang die Klage von 2019 von Strabag gegen Deutschland. Der österreichische Baukonzern beklagt Verluste in Offshore-Windenergie-Projekten durch schlechtere Investitionsbedingungen im Zuge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Vor dem Hintergrund klagt auch das irische Unternehmen Mainstream seit 2021. Die kosten dafür bislang: 8,8 Millionen Euro.

Entschädigungen könnten weitaus höher ausfallen

Noch im Oktober 2023 haben zwei weitere Konzerne beim privaten Schiedsgericht der Weltbank Klagen gegen Deutschland eingereicht. Der britische Energiekonzern Klesh Group klagt wegen der Übergewinnsteuer und das Schweizer Unternehmen Azienda Elettrica Ticinese (AET) wegen des Kohleausstiegs. Innerhalb von vier Monaten sind bereits über 600.000 Euro Verfahrenskosten angefallen.

Entschädigungen könnten weitaus höher ausfallen. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall erhielt 1,4 Milliarden Euro vom Staat wegen Verlusten im Zuge des Atomausstiegs, weitaus mehr als die drei anderen beteiligten Unternehmen, die nicht geklagt hatten.

Das Bundeswirtschaftsministerium bestreitet, dass die Entschädigung an Vattenfall Teil der Einigung beim Schiedsverfahren war. Das parallele Justizverfahren ist nicht öffentlich.

Die Kosten bei Schiedsverfahren seien viel höher als bei Prozessen nach deutschem Recht, meint Ludwig Essig, der sich für die Nichtregierungsorganisation Umweltinstitut München seit langem mit den Schiedsverfahren beschäftigt. Zum einen seien die Gehälter der Anwälte und Richter deutlich höher, zum anderen führe das dazu, dass Verfahren oft in die Länge gezogen würden. „Anwälte bringen kurz vor Ende noch mal neue Beweise, damit das Verfahren länger dauert“, so Essig. Das ginge in einem deutschen oder EU-Verfahren nicht.

Die meisten Klagen werden auf Basis des Energiechartavertrags erhoben. Deutschland ist Ende 2023 davon ausgetreten. Eine Klausel im Vertrag besagt jedoch, dass Klagen auch noch bis 20 Jahre nach Vertragsaustritt möglich sind. Außerdem hat Deutschland weitere Investitionsschutzverträge mit 80 Staaten.

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3 Kommentare

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  • Bisher bin ich eher darüber erstaunt, dass Deutschland in keinem Schiedsverfahren wegen der Dummheit seiner politischen Eliten verklagt wurde. Aber vielleicht ist Unfähigkeit und Dummheit bei Politikern auch einfach nicht justiziabel.

  • Naja. Hab etwas rumrecherchiert. Es geht bei dem Strabag-Verfahren um das brutale Abwürgen der Energiewende durch die Groko ab 2013, durch eine Änderung des EEG von 2014. Wenn wir da jetzt für die Gabriel-Senke (wie sie es u.a. in der Anstalt genannt haben) bezahlen müssen, kann sich Sigmar Gabriel wenigstens in eine Reihe mit Andi Scheuer stellen für kontraproduktive Maßnahmen, die den Steuerzahler im Nachhinein auch noch hunderte Millionen kosten.

    Ein Argument gegen den Energiecharta-Vertrag war ja immer, dass Regierungen sich von Umweltschutz abschrecken lassen könnten, weil Entschädigungszahlungen drohen. Aber in diesem Fall ließen sie sich ja auch nicht von Umweltzerstörung abhalten, obwohl Entschädigungszahlungen drohten.

    Vielleicht hat der Energiecharta-Vertrag durch die "Nach-mir-die-Sintflut"-Mentalität einiger Politiker doch nicht so viel Einfluss wie befürchtet (trotzdem froh, dass wir da raus sind.)

  • Schiedsgerichte sind weltweit üblich, um Investitionen vor nachträglichen Entwertungen oder Enteignungen durch politische Entscheidungen in willkürlich handelnden Staaten zu schützen. So werden europäische und deutsche Investitionen vor Enteignungen in Ländern wie z.B. China geschützt. Die Schiedsgerichte blockieren keinesfalls politische Veränderungen. Sie berechnen nur die angemessenen Entschädigungen. Die lokalen Gerichte sind dortigen Gesetzen unterworfen und bieten daher häufig keinen Schutz für ausländische Investoren. Deswegen schützt Deutschland selbst eigene Auslandsinvestitionen und Exporte durch Schiedsgerichte.

    Ein Beispiel für notwendigen Investitionsschutz ist die im Artikel erwähnte „Übergewinnsteuer“ für Stromlieferungen aus Erneuerbaren Energien. Deutschland hat zur Strompreisbildung das Merit-Order-Prinzip eingeführt und die Erneuerbaren Energien eingebunden. Deutschland hat planmäßig Kraftwerke am unteren Rand der Preisbildung herausgenommen. Vorhersehbar mußten am oberen Ende der Gebote immer teurere Kraftwerke nachrutschen, die dann preisgebend auch für Windstrom werden.

    Ganz offen plante und planten die Bundesregierungen den Betrieb von preissetzenden Gaskraftwerken. Also konnten Investoren von steigenden Merit-Order-Preisen ausgehen. Auf Basis der Vorgaben der Bundesregierung und des gültigen Steuerrechts wurden Investitionsentscheidungen getroffen. Innerhalb der Amortisationsphase werden dann Gewinne aus Erneuerbaren überraschend als "Übergewinne" identifiziert und besteuert. Es handelt sich hier um eine willkürliche Entwertung der Investitionen. Schon sprachlich bezeichnet der Begriff „Übergewinn“ einen unverdienten Gewinn. Die Bundesregierung begründet ihre Enteignung rein moralisch, ähnlich wie andere Staaten es z.B. gegenüber “Volksfeinden“ ehrlicher ausdrücken. Das Wort „Übergewinn“ klingt sogar nach Gerechtigkeit. Der Erfindungsreichtum von Staaten - sogar wie Deutschland - zeigt die Notwendigkeit unabhängiger Schiedsgerichte.