Erschöpfte Verantwortungsträger: Führungsgeile unter sich

Deutschlands Spitzenpersonal ist zunehmend schlapp. Verantwortung macht aber halt auch müde – und sollte im Job vielleicht nur vorübergehend sein.

Gähnender Löwe

Zum Gähnen verführt: Löwe in London Foto: dpa

Deutschlands erschöpfte Chefs“ spricht mich die Schlagzeile auf SpiegelOnline an. Fast zwei Dritteln des hiesigen Führungspersonals, so eine Studie, gehe aktuell der Saft aus. Mich hat niemand befragt, aber das Ergebnis überrascht mich nicht, in meiner journalistischen Laufbahn war ich selbst ein paar mal Chef.

Die letzte Episode endete mit Schwindel und Schweißausbruch in der überhitzten ­U-Bahn, als ich schon wieder die Handynummer eines Lobbyisten auf meinem Handy aufblitzen sah, dem einer unserer Artikel nicht gefallen hatte. Zum Glück war die U-Bahn voll, ich konnte nicht umfallen, und ich fiel nicht in Ohnmacht, weil ich eine Flasche Wasser dabei hatte, von der ich, wie aus dem Antipanikattackenlehrbuch mir kleine Schlucke einflößte.

So kam ich dann doch noch rechtzeitig zum Schulevent der Tochter – es sind ja immer die vielen Hochzeiten, auf denen man tanzen will, die einen killen.

Die Angelegenheit berührt und betrifft mich auf mehreren Ebenen. Zum einen natürlich als Haushaltspartner einer Führungskraft – was davon durch die Autorisierung geht, ist hier ab und an nachzulesen. Dann führe ich selbst einen Haushalt, in diesem Winter des Missvergnügens ein erschöpfendes Business. Ich habe Kinder, die bei der Grießbrei- und Lasagneversorgung sich auf mich verlassen, die ein Recht haben auf Erziehung, trage also inhouse Personalverantwortung.

Respekt für Führung

Weil das so ist, habe ich Führungsaufgaben im Betrieb immer als Amt verstanden. Ein Amt ist etwas, das nicht anzustreben, aber zu akzeptieren ist („Das Amt muss zum Mann kommen“; Winfried Kretschmann u. v. a.). Da meine Führungsposition als Elternteil nie ganz enden wird, konnte ich mir Führung beruflich immer nur als Projekt vorstellen, als Übergang oder mit einer zu realisierenden Aufgabe, klar definiert und zeitlich begrenzt.

Vom Charakter her lehne ich Führung eher ab. Ich möchte nicht geführt werden; zumindest, solange meine körperlich-geistige Verfassung das nicht unumgänglich macht. Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, darüber lässt sich natürlich streiten. Meine Frau sagt, ich sei renitent–beratungsunwillig, ich sehe mich in einer antiautoritär-anarchistischen Tradition. Weil das alles so ist, bin ich solidarisch mit denen, die Führungsaufgaben übernehmen oder sagen wir besser, ich habe Respekt vor ihnen, nicht zuletzt, weil mir meine U-Bahn-Episode ja vorgeführt hat, wo die Sache enden kann beziehungsweise dann schleunigst enden sollte.

„Die Macht reibt den auf, der sie nicht hat“, lautet ein berühmtes Zitat, das dem italienischen Politiker und Oberzyniker Giulio Andreotti zugeschrieben wird; und es gehört zu den unumgänglichen Lektionen des Lebens, dass für manche Menschen nichts befriedigender ist, als andere herumzukommandieren.

Dass man auf der Führungsebene verschärft mit solchen Menschen zu tun hat, ist, soweit ich höre, der Hauptgrund für viele, sie baldmöglichst wieder zu verlassen. Weswegen die Führunsgeilen dann unter sich sind – möglicherweise ja der Grund für ihre Erschöpfung.

Zum Schluss: Johanna von Koczian ist mit 90 Jahren gestorben. Von ihr wird der Schlager bleiben, der dieser Kolumne den Titel gibt. Wer sie als Schauspielerin würdigen will, schaue sich zum Beispiel den Tatort „Gegenspieler“ aus dem Jahr 1987 an, Drehbuch Ulf Miehe, Kommissar Helmut Fischer. Lohnt sich, sage ich mal als ehemalige Führungskraft.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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