Ausgehen und rumstehen von Marielle Kreienborg
: Deutsche Comedy und Witze auf Infoblättern

Comedy ist nichts für mich.“ Sage ich, wann immer mich jemand fragt, ob ich in Berlin schon mal Stand-up-Comedy gesehen habe. Meine letzten Erinnerungen an Comedy sind Kaya Yanar und Mario Barth: kein Wiederholungsbedarf.

„Weil du Deutsche bist“, sagen die Freunde meines Freundes: „ihr habt einfach keinen Humor.“ „Mhm“, mache ich und prophezeie innerlich: noch zwei Schlucke bis zum Hitler-Witz. „Warum sind viele Italiener kleiner als 1,70?! Weil ihre mamma immer gesagt hat: „Wenn du groß bist, musst du arbeiten.“ Keiner lacht.

Das ist der Grund, warum ich Comedy nicht mag. Aber kann man überhaupt nicht mögen, was man nicht probiert hat?! Mein Freund und ich einigen uns auf einen Deal: Wir wählen beide ein Open-Mic. Er: Comedy im Süss. War Gestern. Ich: Vulva-Comedy in der Kohlenquelle.

Die erste Comedian im Süss. War Gestern erzählt von geflügelten Worten zum Jahreswechsel sogenannter Svens und Svenjas wie etwa: „Heute werden mehr als nur Böller geknallt“. Oder aber: „Du kannst alles schaffen, musst nur ein Vision Board machen. Hatte dann kurz darauf meinen Rentenbescheid in der Hand und dachte: Okay…Ketamin klingt interessant.“

Der Comedian nach ihr kommt aus Sachsen: „Die ersten Jahre in Berlin erst mal nur Englisch geredet. Das ist schon hart…wenn du deine Muttersprache verstecken musst…“ Geheimtreffen, wie das in Potsdam, hätte es bei ihm zu Hause auch gegeben: „nur hieß das damals Abendbrot.“ Als er aufs Analplug kommt – „Ist doch Wahnsinn, oder…dass ausgerechnet die Prostata… die erogenste Zone beim Mann ist“ – wird es leise im Publikum. „Jaja, jetzt will’s wieder keiner gewesen sein.“

In regelmäßigen Abständen fädelt die Moderatorin ein Gespräch mit dem Publikum ein: Vom Arbeitslosen bis zum Freelancer-Frauenarzt, ist alles dabei. „Crowdwork“, flüstert mein Freund. Er ist glücklich, denn ich lache manchmal. Zum Beispiel als eine Comedian ihre Erfahrungen mit Femtasy, einer App für Audio-Pornos für Frauen, referiert: „Eine Frau ist am Joggen und während sie joggt, stöhnt ein Mann. Klar. Natürlich. Undenkbar, dass eine Frau ohne Anstrengung Spaß haben darf… Wenigstens weiß ich jetzt, warum immer alle sagen, dass sie sich nach dem Sport so lebendig fühlen.“

Vergnügen bringt auch die Vulva-Comedy: „Wir sind in Deutschland“, sagt die Moderatorin, „ich bin Chinesin. Zwei für ihren Humor bekannte Länder sind also heute vertreten. Aber ich garantiere euch: Heute Abend kommen alle, denn wir sind keine Männer.“ Sie ermahnt, Lachen zu faken, „auch wenn es uns nicht gefällt“, denn wir wüssten ja, was aus Kreativen würde, denen man ihr Talent abspreche. Stille. Niemand weiß es. „Don’t you get it?! It’s a Hitler joke. They denied him the art academy so instead of a painter he became a dictator.

Sie imaginiert einen asiatischen Holocaust gegen „white people“ mit Chili und befragt die Gäste nach ihrem Wohn- und Beziehungsstatus: „Wo wohnst du? Wie viel Miete? Wie groß ist die Wohnung? Seid ihr in einer offenen Beziehung? Ist das deine Cousine?!“ „Nein, wir sind ein Paar…“ „Ja…ich dachte, in der Türkei, schließt sich das nicht aus…Welche Sprache sprecht ihr beim Sex?!“ „Deutsch.“ „Wirklich?! What do you say…Ich komme?!“

Sie lacht und verteilt gegen Ende ein Info-Blatt mit ihren Witz-Highlights, sodass ich mich unweigerlich frage, ob das deutsche Comedy-Publikum mit Schulranzen, Ordnern und Notizbuch angerückt ist. In Letzterem könnte es die Momente notieren, in denen es nicht gelacht hat. Davon gab es genügend.