Diversität und Alter: Neue Vorbilder braucht das Alter

Für eine alternde Frau gab es früher nur wenige Rollenmodelle. Das ändert sich zum Glück. Neue Maßstäbe setzten zuletzt Jodie Foster oder Joni Mitchell.

Eine Polizistin mit ernsten Blick

Jodie Foster als Ermittlerin in „True Detective“ Foto: Warner/Sky

Ich war schon früher ein Fan von Jodie Foster und jetzt, wo die Hollywoodschauspielerin über 60 ist, schaut man natürlich genauer hin: Also wie sieht die das so mit dem Alter? „Erwarte nichts und akzeptiere alles – das macht das Leben leichter“, sagt Foster und das finde ich einen brauchbaren Glaubenssatz. Denn zu akzeptieren gibt es ja eine ganze Menge, wenn die eigenen Körperzellen immer schlampigere Kopien ihrer selbst anfertigen. Nachts schaue ich Folgen von „True Detective“, wo Foster durch eine Polarnacht in Alaska stapft und erfrorene Mordopfer auftaut. Unfreundlich, blass und spitz im Gesicht ist sie. Gefällt mir.

Foster, nicht heteronormativ, ist eins der neuen Rollenmodelle für das Altern, die eine gewisse Diversität versprechen. Und das ist dringend nötig. Denn damit wird das bisherige Spektrum erweitert, das vor allem aus dem Rollenmodell „Mit 50 immer noch sexy“ bestand.

Die auch mit 50 oder 60 „Noch-sexy-Frau“ war das vorherrschende Modell in den Nullerjahren, das älteren Frauen „Mut machen“ sollte, wie es immer hieß. Aber im Grunde bestand es aus der scheinbaren Beruhigung: Du kannst auch mit 55 noch aussehen wie 30 und attraktiv sein für einen Mann.

Dieses Rollenmodell verkörperten damals zum Beispiel TV-Schauspielerinnen wie Iris Berben, womit übrigens nichts gegen deren Schauspielkunst gesagt ist. Das Geschäftsmodell basierte auf dem dicken Unterhautfettgewebe, genetisch vorgegeben, das manche Frauen im Gesicht lange jung aussehen lässt. Aber Himmel, man muss alt aussehen dürfen, ohne als hässlich zu gelten!

Ein neues Vorbild

Es braucht weitere Modelle, auch für die Hochaltrigkeit, vor der alle Ba­by­boo­me­r:in­nen so eine Panik haben. Neue Maßstäbe setzt zum Beispiel Joni Mitchell, 80. Bemerkenswert war ihre Performance auf dem Newport Folk Festival.

Es sollte nicht um neue Zwänge gehen, welches Modell das moralisch beste ist. Die Vielfalt zu akzeptieren, das ist wichtig

Sie saß mit Kappe, dunkler Brille und langen blonden Zöpfen in diesem thronähnlichen Sessel mit der vergoldeten Lehne und sang, „I’ve looked at life from both sides now“. Eine schwere neurologische Erkrankung lag hinter ihr. Das Publikum tobte.

Die eigene Vulnerabilität zu integrieren, ohne sich darauf zu fokussieren und ohne Mitleid zu erwecken, das entfacht Begeisterungsstürme. Doch es sollte nicht schon wieder um neue Zwänge gehen, welches Modell nun das moralisch beste ist. Die Vielfalt zu akzeptieren, das ist wichtig.

Sich selbst erfinden, auch mit 80

Deshalb ist es auch völlig okay, was Madonna macht: Sie darf an sich herumspritzen lassen und auftreten, so lange sie will, wie und in welchen Kostümen sie will. Man sollte einfach auf niemanden hören, der sagt: „Also in dem Alter sollte sie doch nicht … muss sie doch nicht …“ Falsch. JedeR kann sich selbst erfinden, auch mit 80. Man fährt sogar besser damit.

Ein Vorbild für mich ist die österreichische Autorin Ilse Helbich („Grenzland. Zwischenland“) mit ihren psychedelischen Texten über das hohe Alter, über diesen Übergang vom Tun ins Schauen und Sein. Sie beschreibt die plötzliche Euphorie, wenn etwa der Wind durch Pappeln fährt und glückliche Erinnerungen triggert auf der gut gefüllten Festplatte im Hirn einer 90-Jährigen. Helbich ist für mich ein Versprechen: Man behält im hohen Alter den Kontakt zum Schönen, wenn man will. Einmal habe ich länger mit ihr telefoniert, sie freute sich, dass ich ihre Texte meiner Mutter am Krankenbett vorlas. Jetzt ist Helbich in Wien gestorben, 100 Jahre alt. So this is for her.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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