Die Wahrheit: Atemlos durch den Wind

Wie der Tastenmann einer Progrock-Gruppe zwischen zwei Keyboards steht der Autor an der Tastatur seiner Buchstabenmaschine und haut Texte heraus.

Vermutlich bin ich gerade ein bisschen durch den Wind und habe überhaupt keinen Kopf für diese Kolumne und hätte mich gern auch davor gedrückt, ausnahmsweise, aber neulich hat mir taz-Urgestein Thomas Eyerich im abgelegenen Waldhaus einen Besuch abgestattet und eingeschärft, regelrecht getadelt hat er mich, ich solle mehr Mühe walten lassen bei meiner Schreiberei, denn dafür würden die Leser schließlich „bezahlen“, woran man das Urgestein erkennt, dass er ganz patriarchal die Leserinnen unterschlägt und noch einen archaischen Journalismus kennt, für den tatsächlich Geld ausgegeben wurde, jedenfalls jagte ich ihn schimpfend vom Hof, weil ich gerade so dermaßen im Schreiben stecke, dass ich nicht einmal für diese Kolumne hier einen Kopf habe und mir vorkomme wie auf einem berühmten Foto der Keyboarder einer Progrock-Gruppe, das mich als 14-Jährigen beinahe ebenso beeindruckt hat wie das Frühwerk dieser Progressive-Rock-Band selbst, weil dieser Teufelskerl von „Tastenmann“ in einem mit glitzernden Sternen bestickten Silbermantel zwischen zwei gewaltigen Keyboards stand und beide gleichzeitig spielte, voll peinlich eigentlich, also das Wort „Tastenmann“ und der Quatschmantel, nicht aber das Frühwerk besagter Progrock-Gruppe oder das Herumhacken auf zwei Keyboards gleichzeitig, wie ich es genau jetzt selbst praktiziere, mit der einen Hand an dieser Kolumne und mit der anderen Hand weiter an einem Roman schreibe, dessen erste Fassung, will ich nicht vertragsbrüchig werden, Ende dieses Monats abgegeben werden soll, was meinen Bruder zum Hinweis und der Frage veranlasste, ich würde mir da wohl einen Roman zum Geburtstag schenken und ob der denn wenigstens „lustig“ sei, worauf ich antwortete, in diesem Buch würde man sich durchaus den Bauch halten, wenn auch nicht vor Lachen, sondern um die herausquellenden Gedärme festzuhalten, weil die Erzählung auf ein schreckliches Gemetzel hinausläuft, womit ich mich nicht nur inhaltlich ein wenig verhoben habe, auch arbeitsökonomisch, weil ich rein rechnerisch bis Ende des Monats täglich ungefähr die gleiche Menge an Worten produzieren muss, wie auf dieser finanziell nicht üppig ausgestatteten Zeitungsseite hier zu sehen sind, wenn auch in anderer, eben eher erschreckender Anordnung, über die nachzugrübeln ich derzeit gar nicht mehr aufhören kann, weshalb ich neuerdings mitten in der Nacht aufstehe, um die Handlung voranzutreiben und mein 14-jähriges Ich zu verfluchen, das unbedingt seine „Passion zur Profession“ machen und nichts als schreiben, schreiben, schreiben wollte, was meinem 52-jährigen Ich eine Suppe einbrockte, die auszulöffeln es gerade ein wenig überfordert, weshalb ich mich ausnahmsweise gern vor dieser Kolumne gedrückt hätte, für die ich keinen Kopf habe, weil ich gerade ein bisschen durch den Wind bin, vermutlich …

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kari

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