orte des wissens
: Ein Lernort über dem einstigem Ritualbad

Das Gröschler-Haus in Jever informiert über die einstige jüdische Gemeinde und rechte Umtriebe

Groß ist es nicht, das Gröschler-Haus im niedersächsischen Jever. Kommen mehr als 25 Besucher gleichzeitig, wird es eng. Aber Größe ist ja nicht nur eine Frage des umbauten Raums, sondern auch der gesellschaftlichen Wirkung. Und als Informationsstätte, als Lernort zum Antifaschismus, ist das 2014 eröffnete „Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region Friesland/Wilhelmshaven“ ziemlich eindrucksvoll.

Benannt nach Hermann und Julius Gröschler, den letzten Vorstehern der jüdischen Gemeinde Jever, beide in der NS-Zeit im KZ ermordet, erinnert es an die 1938 ausgeraubte und niedergebrannte Synagoge, auf deren Ruinen es Mitte der 1950er-Jahre erbaut wurde. Zwei Schaufenster öffnen Passanten den Blick in die Ausstellung „Die jeverschen Juden und ihre Synagoge“; vorher war hier ein Klempnerladen, ein Kaffeegeschäft, ein kleiner Buch- und Schreibwarenhandel.

Volker Landig, seit Jahrzehnten in Jever lokal- und regionalhistorisch engagiert, hat das Haus mitgegründet. „Viel Fachpublikum besucht uns“, sagt er der taz. „Es kommen auch viele Touristen. Leider findet die breite, einheimische Bevölkerung kaum zu uns.“ Dabei ist das Haus, 2023 neu gestaltet, ein äußerst spannender Ort.

Die Wiederentdeckung der Mikwe, seines Ritualtauchbads, hat fast Indiana-Jones-Feeling: „Da klang es immer so hohl unter dem Fußboden“, erzählt Landig. „Also haben wir nachgesehen und eine steile Treppe entdeckt, hinunter in zwei Kellerräume, und da waren sie, die Reste des Beckens. Die Nazis wussten wohl nicht, was das war, und der Neubau wurde einfach drübergesetzt“, sagt er. Heute zeigt eine Glasplatte den Treppenschacht. Wer will, kann hinabsteigen.

Auch der Synagogenanbau, in dem die kleine jüdische Schule untergebracht war, hat überlebt. „Der Raum wurde später als Materiallager genutzt“, sagt Landig. „Die Zerstörer der Synagoge hatten ihn offenbar ebenfalls übersehen.“ Das Unterrichtsinventar ist allerdings verloren, ebenso wie die Gegenstände aus der Synagoge. Wie sie einst aussah, hat das Gröschler-Haus rekonstruieren lassen, für eine 3-D-Video-Animation. „Dafür haben wir auf Fotos der Wehrmacht zurückgegriffen“, sagt Landig. „Die hat damals den Erfolg der Zerstörung dokumentiert.“

Das Gröschler-Haus ist mit seinen Texten, Fotos und Audiofiles kein wirkliches Museum. Es ist ein Erinnerungsort an die einstige jüdische Gemeinde, von der heute niemand mehr existiert. Auch an Sinti und Roma erinnert sie, ebenfalls Opfer der örtlichen Nazis. Die wenigen Exponate stammen von Nachkommen der Überlebenden: eine Schreibmaschine, ein Gebetsschal, Servietten mit Monogramm. „Zu diesen Nachkommen haben wir sehr lebendigen Kontakt“, sagt Landig.

Lange war der einstige Standort der Synagoge im Stadtbild unkenntlich. Erst 1978 wurde eine Gedenktafel installiert, auf Landigs Veranlassung. „Das war nicht leicht damals“, erinnert er sich. „Anfangs hat der Hausbesitzer sich gesperrt, wollte keinen ‚Judenkram‘ an seinem Gebäude.“

Auch der Synagogenanbau, in dem vor 1938 die kleine jüdische Schule untergebracht war, ist bis heute erhalten

Heute ist das Gröschler-Haus, getragen vom Zweckverband Schlossmuseum Jever, ehrenamtlich betrieben vom Arbeitskreis Gröschler-Haus im Jeverländischen Altertums- und Heimatverein, ein angesehener Ort. Es arbeitet eng mit weiterführenden Schulen zusammen, kleine Lesungen und Konzerte finden statt, es gibt Stadtrundgangsbroschüren, einen sehr quellenreichen, recherchefreundlichen Internetauftritt.

Und das Haus ist nicht nur ein Ort der Vergangenheit. Der Rechtsruck, den Deutschland derzeit erlebt, ist hier oft Thema: „Natürlich sprechen uns viele unserer Besucher auf ihn an“, sagt Landig. Es sind Menschen wie er, die den Rechten Einhalt gebieten. An Orten wie diesem. Harff-Peter Schönherr.