Was die Pupille weiten lässt

Vom Ablecken der Kröten wird abgeraten. Eine thematische Führung im Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum widmet sich Rauschmitteln und Drogenkonsum

Von Andreas Hartmann

So eine Krötenskulptur wirkt gleich ganz anders, wenn man erklärt bekommt, dass es sich hier um die Abbildung der Gattung Bufo handelt, die vor allem in Südamerika beheimatet ist. Diese Tiere produzieren ein giftiges Sekret, das von indigenen Völkern auch heute noch bei Rauschzeremonien zum Einsatz kommt. Bufos sind eine Art Drogenkröten. Selbst Homer Simpson leckt in einer Folge der „Simpsons“ an diesen, woraufhin sich seine Pupillen sichtbar weiten. Wie bei allem, was Homer anstellt, gilt aber auch hier: Vom nicht sachkundigen Ablecken der eigentlich giftigen Bufos wird dringend abgeraten.

Die Krötenskulptur findet sich im Ethnologischen Museum im Humboldt Forum. Betrachtet man sie einfach nur, erkennt man wahrscheinlich kaum die Zusammenhänge zwischen dieser und indigener Drogenkultur, auch die kleine Informationstafel klärt in dieser Hinsicht nicht auf. Dafür gibt es seit Anfang des Jahres wöchentliche Sonderführungen durch das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum mit dem programmatischen Titel „Im Rausch. Von Ekstase bis Erleuchtung“. Etwa 20 der etwa 20.000 Exponate, die in den beiden Museen ausgestellt werden, würden im Zusammenhang mit Drogenkonsum stehen, erklärt Patrick Helber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Humboldt Forum.

Bei der Themenführung rennt man aber nicht von einem Exponat mit Bezug zu Drogen zum nächsten, sondern beschränkt sich auf ein paar wenige, zu denen dann ausführlich referiert wird. Das übernimmt am Tag meiner Teilnahme Carolina Pretell, die die Idee mit dem Sonderprogramm Drogen hatte, im Tandem mit Armin Wieser, der von sich selbst sagt, er sei eigentlich Schauspieler und eher für die szenische Ausgestaltung der Führung zuständig. Und das ist er dann auch wirklich. Bei einem Exponat aus dem 15. Jahrhundert, einem Beutel für Kokablätter der Inka in Peru, lässt er es sich nicht nehmen, ein Gedicht von Gottfried Benn zu rezitieren, in dem dieser die Vorzüge von Kokain preist und das ziemlich psychedelisch ist. Wieser trägt das Gedicht so vor, als würde er nicht im Museum vor einer Handvoll Besucher stehen, sondern auf einer großen Theaterbühne.

Eine Themenführung wie die zu Drogen gebe es, so Helber, um zeigen zu können, dass man hier in den Museen mehr zu bieten habe als alte Kunstgegenstände aus verschiedenen Kulturen. Dass diese vielmehr auch eine Bedeutung für das Hier und Heute haben. Die Lust auf den Rausch, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Drogenkonsum, Prohibition bis hin zum Krieg gegen Drogen und was der mit Postkolonialismus zu tun hat, das alles sind ja tatsächlich zeitlose Themen. Man blicke nur auf das Ringen der Ampelregierung, endlich einen zeitgemäßen Umgang mit Cannabis hinzubekommen. Oder auf die USA, wo die Rechte Migration zurückdrängen möchte, auch mit dem Argument, so besser den Schmuggel von Drogen aus südamerikanischen Ländern kontrollieren zu können.

Bei „Im Rausch“ bekommt man nochmals ausführlich erklärt, welche Bedeutung der Cocastrauch in Peru und Bolivien heute immer noch hat. Und wie sich Ende des 19. Jahrhunderts ein findiger Geschäftsmann in den USA daran machte, aus Kokablättern eine Wundermedizin zu destillieren, die er Coca-Cola nannte und deren Rezeptur bis heute ein streng gehütetes Geheimnis ist.

Oder wie die beiden Opiumkriege, die Großbritannien gegen China führte, bei denen es um eine Droge, aber auch um Macht ging und sowohl das Großbritannien von heute als auch China immer noch prägen. Dabei sieht der Teppich mit Mohnblumen aus dem 17. Jahrhundert, der zum Referat über die Opiumkriege bei „Im Rausch“ führt, doch eigentlich nur hübsch und harmlos aus.

„Im Rausch. Von Ekstase bis Erleuchtung“. Donnerstags um 17 Uhr, Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum