Schwierige Forschungs-beziehungen mit China

Bei der wissenschaftlichen Zusammenarbeit des Westens mit China sind die Flitterwochen vorbei. Was früher ein Akt der Entwicklungshilfe war, zählt heute zur knallharten Systemkonkurrenz um technologische Souveränität. Immer wieder wird vor Forschungsspionage und unerlaubtem Abfluss von wissenschaftlichen Informationen aus Hochschulen in Deutschland und Europa gewarnt, wie vom Deutschen Akademischen Austauschdienst in dieser Woche.

Aber nicht überall wurde zum so genannten De-Coupling umgeschwenkt, dem Entkoppeln der bisherigen Forschungskooperationen mit China. Das zeigt die Auswertung des EU-Projekts „ReConnect China“, das unter Leitung der belgischen Universität Gent die Entwicklung der Wissenschaftsbeziehungen zwischen Europa und China in den Bereichen der Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) untersucht hat. Interessant ist dabei, dass die Zahl der gemeinsamen Forschungspapiere von chinesischen und europäischen Wissenschaftlern seit 2011 ständig ansteigt, auf aktuell über 10.000 Publikationen im Jahr. Bei der Kooperation der USA sowohl mit China als auch mit Europa gab es seit 2020 hingegen einen deutlichen Einschnitt. Amerika schottet sein Internet- und KI-Wissen stärker ab als Europa.

„Wir glauben, dass dieser Abwärtstrend unter anderem auch mit der geopolitischen Lage und der angespannten Situation zwischen China und den USA zu tun hat“, wird Philipp Brugner, einer der Autoren der Studie, vom Fachdienst Research.Table zitiert. In Reaktion darauf orientiere sich China bei der KI-Kooperation stärker nach Europa, weil hier die Hochschulen und Forschungsinstitute noch offener agierten. Das führende Thema bei den europäisch-chinesischen Co-Publikationen ist mit 17 Prozent der Komplex KI und Bildverarbeitung, gefolgt von Netzwerken und Telekommunikation mit 12 Prozent.

Zwar hat die EU-Kommission angekündigt, in der kommenden Woche ein Paket zur wirtschaftlichen Sicherheit vorzulegen, in dem auch Empfehlungen zur Forschung und ein Weißbuch zur zivil-militärischen Forschung enthalten sein sollen. Aber Brugner erwartet nicht, dass es in Brüssel zu einer ähnlich scharfen Abkehr von China kommen wird. „Wir werden künftig sehr selektiv vorgehen“, äußerte sich der belgische Forscher.

„De-Risking statt De-Coupling,“ sagt Katja Becke, die Präsidentin der Deutschen For­schungsgemeinschaft, sei das Gebot der Stunde. Dies bedeute, die Risiken der Kooperation in Schach zu halten, statt sie völlig abzubrechen. Schließlich soll in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen des Chinesisch-Deutschen Zentrums für Wissenschaftsförderung in Peking gefeiert werden.

Manfred Ronzheimer