piwik no script img

Osman Engin alles getürktDas Juden-Gen

Herr Engin, kein Mensch will mehr Multikulti-Mist lesen! Schauen Sie sich doch mal an, was für Bücher die Bestsellerlisten anführen. Schreiben Sie doch mal solche Bücher wie Herr Sarrazin“, schimpft meine Lektorin plötzlich mit mir.

„Was für Bücher hat denn dieser Herr Sarrazin geschrieben?“, frage ich neugierig.

„Zum Beispiel ,Deutschland schafft sich ab‘, oder ,Deutschland kann nichts mehr schaffen‘ oder so ähnlich. Hat sich super verkauft. Schrei­ben Sie doch so etwas, dann scheffeln wir haufenweise Geld!“

„Also gut. Was halten Sie von diesem Titel hier: ,Alles okay. Deutschland geht wieder anschaffen‘“, antworte ich hoffnungsvoll.

„Herr Engin, so geht das nicht. Sie müssen große Sprüche kloppen. Sarrazin hat zum Beispiel behauptet, dass es ein spezielles Juden-Gen gibt! Warum sagen Sie denn so etwas nicht, verdammt?“

„Aber ich bin doch kein Naturforscher wie Charles Darwin oder dieser Herr Sarrazin. Mit Genen kenne ich mich wirklich nicht aus“, murmele ich schüchtern.

„Er ja auch nicht. Er ist eigentlich nur ein Bankier! Erzählen Sie halt irgendwelche schwachsinnigen Märchen, das wollen die Menschen hören“, ruft meine Lektorin energisch.

privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter www.youtube.com/@osmanengin1916. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

„So wie Harry Potter, meinen Sie? Okay, versuchen kann ich es ja“, freue ich mich.

„Ja! Wie so wie Harry Potter oder wie Sarrazin! Aber Sie müssen zuerst der SPD beitreten und dann behaupten, dass es ein spezielles Juden-Gen gibt. Nein, nein, in Ihrem Fall wäre es sensationeller, wenn Sie der AfD beitreten würden. In der SPD wimmelt es nur so von Migranten! Herr Engin, kommen Sie nicht eher hierher, bevor Sie so ein Buch geschrieben haben! Und jetzt raus mit Ihnen!“

„Ist gut, ist gut! Das ist doch kein Problem. Ab sofort behaupte ich auch, dass es ein spezielles Juden-Gen gibt!“

„Oh, das ist ja sehr schön, das aus Ihrem Munde zu hören, Herr Engin“, freut sich meine Lektorin wie ein Honigkuchenpferd und klatscht in die Hände.

„Klar gibt es ein spezielles Juden-Gen! Über 90 Prozent aller Künstler und Wissenschaftler auf der Welt sind doch Juden. Die Hälfte aller Nobelpreisträger der vergangenen 100 Jahre sind auch Juden. Diese Leute müssen doch ein besonderes Gen haben, um sowas zu schaffen, nicht wahr?“, strahle ich dieses Mal nicht weniger über meinen genialen Einfall.

„Mein Gott, Sie haben es leider immer noch nicht kapiert!“, brüllt sie böse und zeigt mir energisch die Tür.

„Herr Engin, so geht das nicht. Sie müssen große Sprüche kloppen. Sarrazin hat zum Beispiel behauptet, dass es ein spezielles Juden-Gen gibt! Warum sagen Sie denn so etwas nicht, verdammt?“

„Wieso? Ich sag doch, dass die Juden anders sind.“

„Nein, nein, nein, Sie müssen die Menschen doch niedermachen, anstatt sie zu loben! Mit Lob verkauft man keine Bücher. Verschwinden Sie sofort aus meinem Büro! Raus mit Ihnen!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen