Einsatz zur Jahreswende in Berlin: Volles Geschütz zu Silvester

Die Polizei fährt 4.500 Kräfte auf, Hubschrauber, Spürhunde und Bodycams sind im Einsatz. Tatverdächtige sollen fünf Tage in Unterbindungsgewahrsam.

Polizisten unter Beschuss Silvester 2022/2023

Szenen wie diese soll es dieses Jahr nicht wieder geben. Mal sehen, ob es klappt Foto: dpa

BERLIN taz | Die Absperrgitter für die Böller-Verbotszone auf der Sonnenallee im Neuköllner Norden stehen bereit. Dabei hatten nicht dort in der Silvesternacht 2022/23 die schwersten Angriffe auf Feuerwehr und Rettungskräfte stattgefunden, sondern im Nahariyakiez in Lichtenrade.

Die Sicherheitsbehörden befürchten aber, dass die Stimmung von in Nordneukölln lebenden arabischstämmigen Gruppen wegen des Nahostkonflikts zu Silvester in Gewalt umschlagen könnte. Nach dem Terrorangriff der Hamas in Israel am 7. Oktober war es in der nördlichen Sonnenallee wiederholt zu Ausschreitungen bei propalästinensischen Demonstrationen gekommen.

Die Polizei wird in der Silvesternacht mit rund 4.500 Kräften im Einsatz sein, Unterstützungskräfte aus anderen Bundesländern und Bundespolizei inklusive. Es ist der größte Silvestereinsatz seit Jahrzehnten, wie Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Freitag bei einer Pressekonferenz sagte. Es ist beachtlich, was für ein Arsenal die Sicherheitsbehörden auffahren, wohl wissend, dass es gemessen an den rund 4 Millionen Gesamtbevölkerung ein zumeist jugendlicher Täterkreis im Promillebereich war, der Rettungskräfte und Polizei im vergangenen Jahr unter Beschuss gesetzt hatte.

Drei Böllerverbotszonen gibt es in diesem Jahr: am Alexanderplatz, in der Neuköllner Sonnenallee mit angrenzenden Teilen der Friedel-, Reuterstraße und Pannierstraße sowie im Steinmetzkiez und dem Bereich Potsdamer Straße zwischen Bülowstraße und Pallasstraße in Schöneberg[3855480]. Anders als sonst in der Stadt darf dort ab dem 31. Dezember zwischen 18 Uhr und 6 Uhr kein Feuerwerk gezündet werden.

Es gibt drei Brennpunktbereiche

Darüber hinaus ist Berlin in drei sogenannte Brennpunktbereiche unterteilt: Südwest, dazu gehören auch der Nahariyakiez und der Steinmetzkiez. Der Norden rund um den Gesundbrunnen, die Soldiner Straße und Teile von Moabit. Und Nord-Neukölln mit High-Deck-Siedlung, Sonnenallee und Hermannplatz – auch das Kottbusser Tor in Kreuzberg gehört dazu.

Wenn die Feuerwehr in einen dieser Bereich einfahre, werde sie, „wenn notwendig“, von der Polizei begleitet, sagte Stephan Katte, der den Silvestereinsatz leiten wird. Das Böllerverbot werde von der Polizei entschlossen umgesetzt. Darauf, dass es zu Verdrängungen und Ausbrüchen an anderen Stellen komme, sei man vorbereitet.

Auch in diesem Jahr werde es unschöne Szenen geben, so Katte, er mache sich da keine Illusionen. In einer Millionenmetropole wie Berlin lasse sich das nicht vermeiden. Aufgrund der hohen Polizeidichte werde es aber mehr Festnahmen geben als im Vorjahr. Aber nicht in dieser Zahl sehe er den Gradmesser des Gelingens des Einsatzes, sondern in der Zahl der Angriffe gegen Rettungskräfte. Diese zu verhindern, stehe für ihn ganz oben.

Erstmals zur Anwendung kommen soll der von Schwarz-Rot verlängerte Unterbindungsgewahrsam. Bis zu fünf Tage Ingewahrsamnahme sind möglich, wenn Straftaten gegen Leib und Leben zu befürchten sind. Die neue Regelung sei am 24. Dezember in Kraft getreten, sagte Polizeipräsidentin Slowik: „Wir wollen sie offensiv nutzen.“ Ob die Richter, die nach Vorführung des Verdächtigen über den Freiheitsentzug entscheiden, dabei mitgingen, werde man sehen.

100 Gefährderansprachen geführt

Auch die 245 Bodycams aus dem Probelauf sollen in der Silvesternacht an den Brennpunkten zum Einsatz kommen. Die Polizei erhoffe sich von den Bildern auch Erkenntnisse für spätere Einsätze, sagte ein Beamter. Hubschrauber, die abklären sollen, ob sich auf Dächern Feuerwerk-Depots befinden, gehören ebenso zum Arsenal. Und Spürhunde, die in Neuköllner Hinterhöfen möglicherweise deponiertes Feuerwerk erschnüffeln sollen. Allerdings nur in „öffentlich zugänglichen“, wie am Freitag betonte wurde.

Und auch das gehört dazu: Rund 100 Gefährderansprachen wurden in den letzten Tagen geführt. In zwei Fällen habe es sich um Personen gehandelt, die in der vergangenen Silvesternacht und bei Nahost-Demonstrationen negativ aufgefallen seien. Die anderen Angesprochenen beschrieb Katte so: Es handele sich um Querverbindungen von Schwimmbad-Tatverdächtigen, Migrantifa-Anhängern und Nahost-Demogängern.

Zwei propalästinensische und eine Pro-Israel-Demonstration seien bislang für Silvester in Neukölln angemeldet worden, sagte Katte. Dass die propalästinensichen Proteste wie beantragt durch die Böllerverbotszone führten, werde die Polizei aber mit Sicherheit nicht zulassen.

Mit allen Anmeldern würden zurzeit noch Kooperationsgespräche geführt, so Katte. Die BVG hat bereits angekündigt, dass der Busverkehr in Teilen Kreuzbergs und Neuköllns wegen der Sperrungen und zu befürchtender Beschüsse mit Böllern ab Sonntagabend gestoppt werde.

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