Selenskyjs Jahrespressekonferenz: Vage, aber nichts beschönigt
Manches war befremdlich in Selenskyjs Jahrespressekonferenz. Die Lage ist angespannt. Die Hoffnung auf ein positives Signal aus Washington bleibt.
Selenskyj am Anschlag: Während seiner Jahresend-Pressekonferenz kanzelte der Präsident einige Journalist*innen barsch ab Foto: Evgeniy Maloletka/AP
Wie seine ermüdenden und traumatisierten Landsleute im bereits zweiten Kriegswinter zum Durchhalten motivieren, ohne dabei gleichzeitig die festgefahrene Situation an der Front zu verharmlosen oder zu beschönigen? Zumindest letzterer Versuchung erlag Wolodymyr Selenskyj am Dienstagabend nicht.
Doch der große Wurf war sie dennoch nicht, die Jahrespressekonferenz des ukrainischen Präsidenten vor changierendem Hintergrund, abwechselnd in Form einer EU-Flagge und der Ukraine in ihren Grenzen von 1991. Vor allem diejenigen, die sich einige erhellende Ausführungen zur komplexen innenpolitischen Gemengelage erhofft hatten, dürften enttäuscht gewesen und etwas ratlos zurückgeblieben sein.
Zu Recht. Selenskyj mäanderte, wich aus oder beantwortete die Fragen gleich gar nicht. Seine Meinungsverschiedenheiten mit dem Oberbefehlshaber der Armee, Walerij Saluschnyj, die seit Wochen offen zutage liegen, spielte er herunter und sprach von normalen Arbeitsbeziehungen. Dabei vergaß er jedoch nicht, darauf hinzuweisen, bei wem für was die Verantwortung liegt – unter anderem bei Saluschnyj. Das „Mastermind der Armee“ erfreut sich wachsenden Zuspruchs in der Bevölkerung.
Auch beim Thema Mobilmachung, ebenfalls ein heißes Eisen, blieb Selenskyj vage. Tatsache jedoch ist, dass die ukrainische Armee neben schlagkräftigen Waffen auch frische Kräfte braucht, um gegen den Aggressor Russland weiter bestehen zu können. Doch woher diese Ressourcen nehmen, wenn es gilt, anders als Kremlchef Wladimir Putin, bei derart gewichtigen Entscheidungen auch die Befindlichkeiten der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen?
Befremdlich war überdies, wie barsch der Präsident bei seinem Auftritt einige Journalist*innen abkanzelte. Auch dies ist ein untrügliches Anzeichen dafür, dass Selenskyjs Nerven blank liegen. Aus gutem Grund: Sollten die US-Finanzhilfen wegen interner Querelen weiter ausbleiben, wird es für Kyjiw eng. Aber vielleicht gibt es doch noch ein positives Signal aus Washington. Den Ukrainer*innen wäre es zu wünschen.
Selenskyjs Jahrespressekonferenz: Vage, aber nichts beschönigt
Manches war befremdlich in Selenskyjs Jahrespressekonferenz. Die Lage ist angespannt. Die Hoffnung auf ein positives Signal aus Washington bleibt.
Selenskyj am Anschlag: Während seiner Jahresend-Pressekonferenz kanzelte der Präsident einige Journalist*innen barsch ab Foto: Evgeniy Maloletka/AP
Wie seine ermüdenden und traumatisierten Landsleute im bereits zweiten Kriegswinter zum Durchhalten motivieren, ohne dabei gleichzeitig die festgefahrene Situation an der Front zu verharmlosen oder zu beschönigen? Zumindest letzterer Versuchung erlag Wolodymyr Selenskyj am Dienstagabend nicht.
Doch der große Wurf war sie dennoch nicht, die Jahrespressekonferenz des ukrainischen Präsidenten vor changierendem Hintergrund, abwechselnd in Form einer EU-Flagge und der Ukraine in ihren Grenzen von 1991. Vor allem diejenigen, die sich einige erhellende Ausführungen zur komplexen innenpolitischen Gemengelage erhofft hatten, dürften enttäuscht gewesen und etwas ratlos zurückgeblieben sein.
Zu Recht. Selenskyj mäanderte, wich aus oder beantwortete die Fragen gleich gar nicht. Seine Meinungsverschiedenheiten mit dem Oberbefehlshaber der Armee, Walerij Saluschnyj, die seit Wochen offen zutage liegen, spielte er herunter und sprach von normalen Arbeitsbeziehungen. Dabei vergaß er jedoch nicht, darauf hinzuweisen, bei wem für was die Verantwortung liegt – unter anderem bei Saluschnyj. Das „Mastermind der Armee“ erfreut sich wachsenden Zuspruchs in der Bevölkerung.
Auch beim Thema Mobilmachung, ebenfalls ein heißes Eisen, blieb Selenskyj vage. Tatsache jedoch ist, dass die ukrainische Armee neben schlagkräftigen Waffen auch frische Kräfte braucht, um gegen den Aggressor Russland weiter bestehen zu können. Doch woher diese Ressourcen nehmen, wenn es gilt, anders als Kremlchef Wladimir Putin, bei derart gewichtigen Entscheidungen auch die Befindlichkeiten der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen?
Befremdlich war überdies, wie barsch der Präsident bei seinem Auftritt einige Journalist*innen abkanzelte. Auch dies ist ein untrügliches Anzeichen dafür, dass Selenskyjs Nerven blank liegen. Aus gutem Grund: Sollten die US-Finanzhilfen wegen interner Querelen weiter ausbleiben, wird es für Kyjiw eng. Aber vielleicht gibt es doch noch ein positives Signal aus Washington. Den Ukrainer*innen wäre es zu wünschen.
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kommentar von
Barbara Oertel
Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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