Preis für Journalist*in Masha Gessen: Immer noch ein Eklat mehr
Die feierliche Hannah-Arendt-Preisverleihung an Masha Gessen wurde abgesagt. Gessen verglich Gaza mit den Zwansghettos der Nazis.
Eklat um den Bremer Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken: Masha Gessen, LGBT*-Aktivist*in, Publizist*in und Roman-Autor*in, wird ihn zwar bekommen. Aber aus Protest gegen Gessens jüngst im Magazin New Yorker erschienenen Essay haben sich die bundesweite und die örtliche Heinrich-Böll-Stiftung als Preisgeberinnen zurückgezogen und der Bremer Senat hat den für Freitag geplanten Festakt im Rathaus abgesagt.
Grund: Gessen, 1967 als Kind einer jüdischen Familie in Moskau geboren, hatte im Aufsatz gefordert, den Gazastreifen mit den jüdischen Zwangsghettos im von den Nazis besetzten Europa wiederzuerkennen. Nur das würde Gessen zufolge zu einer Sprache verhelfen, um zu beschreiben, was sich gerade in Gaza abspielt: „The ghetto is being liquidated.“
Statt Fakten, sonst die Stärke Gessens journalistischen und belletristischen Arbeiten, nennt Gessen in dem Text mit dem Titel „In the Shadow of the Holocaust“ indes in erster Linie gefühlte Anhaltspunkte für diese Gleichsetzung, wie die beengte Lage der Bewohner*innen. Die Bevölkerungsdichte war allerdings, daran hatte Perlentaucher-Redakteur Thierry Chervel erinnert, im Warschauer Ghetto indes fast 30-mal so hoch wie in Gaza.
Ehrung im kleinen Kreis
Trotz der Absage der Feierstunde hält der Hannah-Arendt-Preis-Verein daran fest, Gessen am Samstag per Symposium wenigstens in einem kleineren Rahmen zu ehren, wie ein Sprecher betonte. „Der Vorstand fühlt sich an die Entscheidung der Jury gebunden.“
Bekannt gegeben hatte Gessen das aus einer Polonistin, vier Politik- und Gesellschaftswissenschaftler*innen sowie dem ehemaligen taz-Reakteur Klaus Wolschner zusammengesetzte Gremium im Sommer – allerdings mit Blick auf Gessens kenntnisreiche Texte über Russland und das Unrechtssystem Putins.
Im Social-Media-Portal X beschwerte sich Gessen nun, dass ihre Texte in Deutschland ohne Rücksprache kritisiert würden. Eine entsprechende-Anfrage der taz ließ Gessen indes bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
In einer vorherigen Version des Textes wurde Masha Gessen misgendert. Wir haben es korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was