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Wenn die Tram Heiligabend eine Notbremsung hinlegt

Heiligabend in Berlin-Hohenschönhausen, später Nachmittag, mein Mann und ich kommen vom Besuch beim alleinstehenden Onkel und wollen nach Hause. Die Straßenbahn ist proppenvoll. Fast ausnahmslos vietnamesischstämmige Berliner:innen, viele Familien mit Kindern. Wo wollen die bloß alle hin?

Nach ein paar Stationen bleibt die Tram stehen und fährt einfach nicht weiter, hat aber alle Blinker angeworfen. Der Fahrer kommt angestapft, oh je, der ist echt sauer. „Wer war das!“, bellt er und steuert auf einen Mann zu. Der steht neben der Notbremse an Tür und guckt schuldbewusst. Wie sich herausstellt kann er kein Wort Deutsch. Er hat die Notbremse ausgelöst, weil er sich am roten Griff der Notbremse festgehalten hat … Nun wird der Mann vom Fahrer beschimpft. „Rot bedeutet Gefahr, überall auf der Welt, das fasst man nicht an!“ Allein die Botschaft scheint nicht anzukommen. Der Übeltäter lächelt leicht zur Tirade. Dann wird die Notbremse per Schlüssel entsperrt, die Fahrt geht weiter.

Berlin-Hohenschönhausen,

rund 108.000 Ein­woh­ner:nnen.

Die Straßenbahnlinie M6 pendelt zwischen den Stadtteilen Hellersdorf und Mitte und braucht gut eine Stunde für die Fahrt durch mehrere Stadtteile.

Die volle Tram-Ladung stieg übrigens mit uns am S-Bahnhof Landsberger Allee aus. Wir wohnen da, und um die Ecke liegt eine katholische Kirche, die Gottesdienste auf Vietnamesisch anbietet. Natürlich auch Heiligabend. Andreas Hergeth