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zurück in die zukunft

Der französische Schriftsteller und Künstler Albert Robida gestaltete 1877 für ein Pariser ­Kultur­magazin eine Werbeanzeige für den mit Kokain versetzten „Vin Mariani“ Foto: Archiv

Nicht alles, was heute als gesundheitsschädlich gilt, hatte schon immer diesen Ruf. Etwa der „Vin Mariani“, ein It-­Getränk im 19. Jahrhundert. Ein französischer Apotheker war der Erste, der Wein aus Bordeaux mit Extrakten aus Koka­blättern mischte und damit den Vorläufer von Coca-Cola schuf. Ob Verdauungsprobleme, Blutarmut oder trübe Gedanken, Vin Mariani war das Wunder­mittel. Geschwächte Frauensollte er in Amazonen verwandeln, die Stimmbänder von Mu­si­ke­r*in­nen stärken, bei Bergwanderungen zu kräftigen Beinen verhelfen. Das zumindest versprach die Werbeanzeige „Le Vin Mariani à la Coca du Pérou“, die 1877 in dem Magazin Vie Parisienne erschien. Hier schleppt sich das Bürgertum mit Frack und Hutband in einen flaschenförmigen Tempel und strömt beseelt und erfrischt wieder hinaus. Drei Päpste schworen wohl auf das Tonikum, einer verlieh dem Kokain­wein sogar eine Goldmedaille. Die damalige Queen soll ihn genauso getrunken ­haben wie Schriftsteller Émile Zola. Bevor die Suchtwirkung von Kokain bekannt war, galt der Wunderwein eben als ungefährliches Stärkungsmittel. Heute weiß man, dass Kokain zu schweren Gesundheitsproblemen, Stigmatisierung und Verelendung führen kann. Also genau das Gegenteil von einem Gang in den Wellnesstempel ist. In­zwischen wird aber erforscht, ob der Einsatz anderer Substanzen wie ­Ketamin bei psychischen Erkrankungen helfen kann. Eine neue Hoffnung – oder wir blicken in ­hundert Jahren wieder irritiert auf diese Therapieform ­zurück. Hanna Kopp

Zukunftsbilder aus der Vergangenheit und was man aus ihnen lernen kann, erkunden wir hier in jeder Ausgabe.

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