Andreas Speit Der rechte Rand: Warum „Querdenken“ erneut in Göttingen demonstrieren will
Sie wollen wiederkommen. Am 13. Januar kommenden Jahres will das selbsternannte Querdenken-Spektrum erneut in Göttingen auflaufen. Auf Instagram läuft unter dem Motto „Versammlungsfreiheit statt Extremismus“ bereits die Mobilisierung. An die 2.000 Teilnehmende erwarte die anmeldende Person, sagt Polizeipressesprecherin Jasmin Kaatz der taz. Im Anschluss an die Demonstration in der niedersächsischen Universitätsstadt seien zudem zwei Autokorsos angezeigt worden. Das seien keine leeren Ankündigungen, „wir gehen davon, aus dass das stattfindet“, so Kaatz.
Bereits am 16. September hatten Querdenkende, Reichsbewegte und Rechtsextreme versucht, mit einem Protestzug durch die Stadt zu ziehen. Doch die rund 430 Teilnehmenden aus dieser neuen Mischszene waren nicht weit gekommen. An die 1.400 Menschen hatten sich ihnen entgegen gestellt – beziehungsweise gesetzt. „Nachdenken statt Querdenken“ stand auf einem selbstgemalten Pappschild. Barrikaden brannten. Der Demonstrationszug musste erst eine andere Route nehmen, um dann doch zum Bahnhof zurückzukehren.
Das Scheitern von Demonstrationen beschäftigt die Szene. Bei Instagram postete „goettingen1301“ eine Kachel mit der Botschaft, es sei „nicht hinnehmbar, dass eine angemeldete Demonstration einfach von Linksextremen blockiert“ werde. An „solchen Orten“ müsse weiter demonstriert werden. Via Telegram werben auch die „Freiheitsboten Göttingen“ für den geplanten Marsch: „Ich bin dabei“ heiß es mit Datumshinweis kurz und knapp.
In ihrem Kanal feiern die „Freiheitsboten“ auch einen Auftritt des AfD-Bundessprechers Tino Chrupalla bei „Markus Lanz“. Lanz hätte Chrupalla eingeladen „um ihn zu blamieren“, heißt es dort, doch Chrupalla hätte den „Spieß umgedreht“. „Spektakulär“ meinen die „Friedensboten“.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Sie stellen dort auch Peter Fitzeks Weltsicht dar. Der Reichsideologe und selbstgekrönte Monarch des „Königreich Deutschlands“ versucht seit kurzem, im Landkreis Göttingen ein ehemaliges Hotel in Bad Lauterberg als Zentrum auszubauen.
Die Nähe der Querdenkenden zum extrem rechten Spektrum war auch beim gestoppten Aufmarsch aufgefallen. An der Bühne hing nicht nur das Transparent mit der Botschaft „Die Politik und die Medien lügen und betrügen und führen Krieg gegen das Volk“. Auch ein Werbeträger von „Auf1“ war an der Seite der Bühne befestigt. Der österreichische Internetsender verbreitet Verschwörungsnarrative zur Covid-19-Pandemie.
In einem neuen Report des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) warnt Jan Rathje, dass diese Szene weiterhin in ihrer Radikalität unterschätzt werde. Selbst das Netzwerk um Heinrich XIII. Prinz Reuß, das den Bundestag stürmen, Bundestagsabgeordnete festsetzen und Stromanlagen sabotieren wollte, um eine neue Regierung auszurufen, würde weiter verharmlost – unter anderem als „Rentner Armee Fraktion“. Nicht alle vom Generalbundesanwalt Beschuldigten sind aber im Rentenalter, auch die Verdächtigen aus Niedersachsen nicht.
In der Pandemie hätten sich alte Reichsideen bis ins neue Querdenken-Milieu verbreitet. Diese Entwicklung könne nicht mit dem Begriff „Reichsbürger“ und „Souveränisten“ erfasst werden, die die Verfassungsschutzstrukturen verwenden, sagt Rathje. Der Senior Researcher bei Cemas schlägt stattdessen vor, von einem „verschwörungsideologischen Souveränismus“ zu sprechen, der auf die „Ungleichheit“ auch bei der deutschen Staatsbürgerschaft ausgerichtet sei. Aus dem Grund empfiehlt er, in der Analyse die „künstliche Grenze“ zum rechten Spektrum aufzuheben.
In Göttingen ruft das „Bündnis gegen Rechts“ erneut zum Gegenprotest auf.
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