: In Ahaus wächst der Widerstand
Über 2.000 Menschen demonstrieren gegen neue Atommülltransporte ins Münsterland. Proteste auch in Sachsen, Thüringen und Hessen. Castor-LKW vor Kamen durch Autobahnblockade gestoppt
AUS AHAUSANDREAS WYPUTTA
Die Castoren rollen, der Protest wächst: Über 2.000 Menschen haben in der Nacht von Montag auf Dienstag gegen neue Atommülltransporte aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden ins Zwischenlager Ahaus demonstriert. Selbst als die sechs Castor-LKW das Brennelemente-Zwischenlager (BZA) im Morgengrauen gegen 04:30 Uhr erreichten, blockierten noch immer über 400 Atomkraftgegner die Zufahrt. Vor einer Woche hatten dagegen nur 650 Menschen insgesamt gegen die ersten Castor-Transporte seit 1998 nach Ahaus demonstriert.
Proteste gegen die mit hochgiftigem Plutonium und kernwaffenfähigem Uran beladenen Castoren gab es auch in Sachsen, Thüringen und Hessen. Schon kurz nach der Abfahrt musste der Konvoi im sächsischen Radeberg stoppen – Atomkraftgegner blockierten die Landstraße, Greenpeace-Aktivisten stellten gelbe Holzkreuze als Zeichen des Protests auf. In Thüringen gab es Mahnwachen, und in Hessen nahm die Polizei 13 Demonstranten vorübergehend fest. In Bad Oeynhausen, dem „Nadelöhr“ der als Alternativroute geltenden Nordstrecke, verteilten Teilnehmer einer Mahnwache Flugblätter und sammelten Unterschriften für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Zum zweiten Mal gestoppt wurden die Castoren dann bei Kamen: Rund 25 Atomkraftgegner blockierten die Autobahn und konterkarierten so das Sicherheitskonzept der Polizei, die die Blockade nicht bestätigen wollte.
In Ahaus selbst sorgte besonders eine Erklärung des Präsidenten des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, für Ärger. Kein Zwischenlagerstandort habe vom Atomkompromiss zwischen der rot-grünen Bundesregierung und der Atomindustrie „so profitiert wie Ahaus“, hatte der Chef des Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) direkt unterstellten BfS ausgerechnet am Montag erklärt. „Wenn wir nicht massiv auf die Straße gehen, drohen uns hunderte Atommülltransporte“, hielt Heiner Möllers-Taubitz von der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus dagegen. „Ahaus droht zum Endlager zu werden.“ Auf die Castoren aus Rossendorf könnte hochangereichertes Uran aus dem Forschungsreaktor München-Garching folgen, danach dürften bis 2018 hunderte Transporte aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague rollen. „Ahaus ist ein zentrales Projekt der deutschen Atomindustrie. Von Schonung kann keine Rede sein“, sagt auch Matthias Eickhoff von der Gruppe Widerstand gegen Atomanlagen aus Münster.
Umso heftiger reagierten Polizei und Ahauser Stadtverwaltung: Ozan Kubat, Sprecher der Ahaus Jusos, klagt über Drohungen des Ahauser Schuldezernenten Hermann Kühlkamp. „Sie können sich warm anziehen“, soll Kühlkamp am Telefon gedroht haben – Kubat hatte zu Schülerdemonstrationen aufgerufen, an denen sich schon Montag Mittag über 120 Schülerinnen und Schüler beteiligt hatten. Die Anti-Atom-Initiativen kritisierten Kühlkamps Verhalten: Der Schuldezernent versuche, dass Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken.
Auch die Polizisten vor dem Zwischenlager reagierten stark gereizt, versuchten die Demonstranten auf ihrem genehmigten Weg zum Zwischenlager immer wieder aufzuhalten. Als die Proteste nicht abrissen, kesselte die Polizei rund 100 Demonstranten ein – Proteste des Landwirts gegen den Kessel auf seinem Privatbesitz wurden ignoriert. Der Atommüllkonvoi stand zu diesem Zeitpunkt schon über eine Stunde auf dem Parkplatz Hochmoor der A31, rund 15 Kilometer vor Ahaus. Nach Polizeiangaben wurden 118 Atomkraftgegner in Gewahrsam genommen und „erkennungsdienstlich behandelt“: Neben Ausweiskontrollen wurden die Demonstranten auch fotografiert.
Die Anti-Atom-Initiativen werteten die Proteste dennoch als großen Erfolg. „Wir konnten die Ankunft der Castoren über fast zwei Stunden hinauszögern“, sagt Atomkraftgegner Eickhoff. „Die Verdreifachung des Widerstands, die große Unterstützung zeigt, dass die Menschen die Atommülltransporte ins Münsterland ablehnen.“
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