Umgang mit rechten Parteien: Ein Linker raus, ein Rechter rein

In Bremerhaven soll ein Abgeordneter des rechten „Bündnis Deutschland“ ins Wahlprüfungsgericht gewählt werden. Ein Linker soll dafür rausfliegen.

Bremer Stadtmusikanten-Statue vor einer Deutschland-Flagge

Wirken angesichts der Deutschlandfahne ganz erschreckt: Bremer Stadtmusikanten Foto: Friso Gentsch/dpa

HAMBURG taz | Ist eine Wahl noch eine Wahl, wenn man keine Wahl hat? Muss man jemanden gegen den eigenen Willen wählen, wenn es nun mal so im Gesetz steht? Über diese Fragen tobt seit Monaten in der Bremerhavener Politik ein Streit. Je nach Sichtweise soll am heutigen Abend ein Rechtsbruch geheilt werden – oder aber es kommt zu einem „politischen Skandal“, wie die Linke wittert, der dann zu einem Fall für den Bremer Staatsgerichtshof wird.

Denn nach dem Willen der regierenden SPD-Fraktion soll das Stadtparlament ausgerechnet einen Abgeordneten des rechten „Bündnisses Deutschland“ in das Bremerhavener Wahlprüfungsgericht wählen – und dafür den zuvor gewählten Abgeordneten der Linken wieder rauswerfen.

Als im Frühjahr parallel zur Bremer Wahl auch das Bremerhavener Kommunalparlament gewählt wurde, erhielt das damals noch als „Bürger in Wut“ antretende „Bündnis Deutschland“ fast 20 Prozent der Stimmen – nur knapp hinter der CDU ist die Fraktion seither drittstärkste Kraft. Als eine der ersten Amtshandlungen hatte die neu konstituierte Stadtverordnetenversammlung fünf ihrer Abgeordneten in das lokale Wahlprüfungsgericht zu wählen. Analog zum Landeswahlgericht hat es etwa über die Gültigkeit einer Wahl zu richten. Und analog zur Bremer Landesebene sind die Mitglieder des Wahlprüfungsgerichts „unter Berücksichtigung der Stärke der Parteien und Wählervereinigungen“ zu wählen.

Als drittstärkste Fraktion rechnete die Rechtsaußen-Partei „Bündnis Deutschland“ demnach fest mit einem Platz. Nur ließ das Stadtparlament den Rechten Jan Timke, der auch in der Bremischen Bürgerschaft sitzt und Spitzenkandidat der „Bürger in Wut“ bei der Bremer Wahl gewesen war, im Juli und September zweimal durchfallen. Stattdessen wählten die Abgeordneten Francesco-Hellmut Secci, Mitglied der Linksfraktion.

Erzwungene Neuwahl

Das rief allerdings den Bremer Landeswahlleiter Andreas Cors auf den Plan, der in der Wahl einen Bruch des Bremer Wahlrechts sah. Er forderte Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) auf einzuschreiten und die entsprechenden Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung formal zu beanstanden. Solange dieser Rechtsbruch anhalte, sei das Gremium nicht arbeitsfähig und könne die Rechtmäßigkeit der Wahl nicht prüfen, kritisierte der Wahlleiter.

Grantz legte Widerspruch gegen den Vorgang ein, seine SPD hat deshalb beantragt, auf der heutigen Stadtverordnetenversammlung den Linken-Abgeordneten Secci wieder abzuwählen – und mit einer Neuwahl einen Bündnis-Deutschland-Abgeordneten ins Gericht zu entsenden, damit sich das Kräfteverhältnis des Stadtparlaments dort widerspiegelt – so wie es halt im Gesetz vorgegeben ist.

„Der konkrete Plan, ein von der Linksfraktion benanntes und durch die Stadtverordnetenversammlung demokratisch gewähltes Mitglied durch ein Mitglied einer rechtspopulistischen Partei zu ersetzen, erschüttert mich“, sagt Petra Brand, die die Linksfraktion anführt. Alle demokratischen Parteien seien aufgefordert, rechten Parteien nicht mehr als den ihnen unabdingbar zustehenden Raum im parlamentarischen System zu überlassen, findet Brand.

Doch auch jenseits der Frage, wie Abgeordnete mit stärker werdenden rechten Fraktionen umgehen sollten – ausgrenzen oder einhegen? –, ist der vom Landeswahlleiter beanstandete Rechtsbruch gar nicht so eindeutig. Auch die Bremerhavener CDU hatte schon bemängelt, wie die Anforderungen unter einen Hut zu bekommen seien, dass einerseits die Besetzung des Wahlprüfungsgerichts das Wahlergebnis widerspiegeln und andererseits Wahlen frei sein sollen.

Der Schutz des freien Mandats

Zu dieser Frage hat der lange Zeit in Bremen tätige Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano im Auftrag der FDP ein Rechtsgutachten erstellt. Grundsätzlich sei zwar der „Spiegelbildlichkeitsgrundsatz“ auch in diesem Fall zu berücksichtigen. Doch gilt dieser Fischer-Lescano zufolge „nicht vorbehaltlos“. Er müsse auch „mit gegenläufigen Verfassungsgrundsätzen wie einerseits dem aus dem Demokratiegrundsatz fließenden Schutz des freien Mandats und andererseits der Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen in Konkordanz gebracht werden“.

Die Wahl des Linken- statt des Bündnis-Deutschland-Abgeordneten hält er demnach für rechtmäßig. Schließlich gilt ebenso der Grundsatz, dass gewählte Abgeordnete nicht an Weisungen gebunden sind. Und die spiegelbildliche Verteilung der Plätze hält er nur in soweit für erforderlich, wie es die Funktionsfähigkeit des Gremiums ermöglicht – wie es mit der Wahl des Linken gegeben ist.

Linksfraktionschefin Brand betont hinzu, dass das geforderte Kräfteverhältnis mit der Wahl ihres Genossen statt eines Bündnis-Deutschland-Abgeordneten schließlich gewahrt bliebe: Beide sitzen in der Opposition zur von der SPD angeführten Mehrheit. Das bestätigt auch Fischer-Lescano: „Die Verschiebung der Sitzverteilung erfolgte nicht zugunsten der Koalitionsmehrheit, sondern zugunsten einer anderen Oppositionsfraktion.“

Wie auch immer die Wahl am Donnerstag ausgeht – in beiden Fällen dürfte der Streit vor Gericht landen. Die Linken-Vorsitzende Brand kündigt im Fall einer Abwahl bereits eine Klage vor dem Bremer Staatsgerichtshof an. „Auch das Bündnis Deutschland hat das schon für den Fall einer erneuten Niederlage angedeutet“, sagt Brand.

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