Jahresbericht des Landesrechnungshofs: Ein echter Rundumschlag

Präsidentin Klingen hält Landespolitik große Fehlleistungen vor. Regierungschef Wegner (CDU) nennt Schuldenbremse in jetziger Form „gefährlich“.

Das Bild zeigt die Präsidentinnen des Rechnungshofs und des Abgeordnetenhauses, Karin klingen und Cornelia Seibeld.

Der Blick in den Landeshaushalt löst bei Rechnungshofchefin Klingen (l.) weit weniger Freunde aus Foto: dpa

BERLIN taz | Der Landeshaushalt, der in drei Wochen beschlossen werden soll: nicht zukunftsgerichtet und Sorge bereitend. Das geplante milliardenschwere Sondervermögen zum Klimaschutz: in jetziger Form mit der Schuldenbremse nicht zu vereinbaren. Die vor acht Jahren eingesetzte „Wohnraumversorgung Berlin“: hochgradig ineffizient und aufzulösen. Die zumindest vom roten Teil der CDU-SPD-Koalition beschlossene Enteignung großer Immobilienbesitzer: nur auf Kosten des Landeshaushalts und höherer Mieten machbar. Was sich wie eine wüste Oppositionsattacke auf den Senat und das Parlament liest, steht im Donnerstag vorgestellten neuen Jahresbericht des Landesrechnungshofs.

Es gab mal Zeiten, da war die Vorstellung des Rechnungshofsberichts ein nicht sonderlich spannender Pressetermin, der lediglich durch einige skurrile Beispiele für Steuergeldverschwendung einen gewissen Reiz hatte. Das ist anders, seit 2018 Karin Klingen Präsidentin der Behörde ist und aktuelle politische Entwicklungen weitaus präsenter begleitet, als das bisher der Fall war. Vielleicht um klarzumachen, dass das kein nur von ihr verfolgter Kurs ist, trat nicht allein Klingen, sondern die gesamte fünfköpfige Führung der Behörde im Abgeordnetenhaus vor die Presse.

Laut Klingen ist der Doppelhaushalt, den das Landesparlament am 14. Dezember beschließen will, gleich mehrfach problematisch: Er brauche sämtliche Reserven auf und beinhalte zusätzliche Einsparvorgaben, bei denen unklar ist, wie die umzusetzen seien. Der Rechnungshof empfehle „dringend, die Haushaltsausgaben zu priorisieren“. Das geplante Berliner Sondervermögen ist aus ihrer Sicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vergangener Woche nicht vereinbar.

In der fürs Sondervermögen zuständigen Verwaltung von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hatte man sich nach dem Urteil ganz entspannt gegeben: „Das Urteil kann nicht auf die Regelungen im Land Berlin übertragen werden“, äußerte sich eine Sprecherin. Es gebe grundlegende Unterschiede. Unter anderem gebe es „keine Bezugnahme allein auf den Klimawandel als Auslöser der außergewöhnlichen Notsituation“. Vielmehr beziehe man sich auf den Schock des Kriegs gegen die Ukraine und dessen Auswirkungen in Verbindung mit einer ausgeprägten Finanzschwäche des Landes. Das Gericht hatte in der Klimakrise keine Notlage gesehen, die Kredite in Abweichung von den Schuldenbremse erlauben würde.

Die Argumentation des Senats reicht Klingen nicht

Die breiter gefächerte Argumentation der Senatsverwaltung aber reicht Klingen nicht aus: Die Beschreibung ist aus ihrer Sicht sehr allgemein gehalten und mache zu wenig klar, welche Kredite zu welchem Zeitpunkt welcher Notlage begegnen sollen.

Unter einer Notlage laut Schuldenbremse versteht Klingen eine aktuelle Krise, nicht lange absehbare Krisen. Auf die Nachfrage, der Rechnungshof dränge die Regierung zur Problembewältigung, lehne aber zugleich dafür nötige Kredite ab, sagte sie: „Das sind die Regeln, die sich der Staat gegeben hat.“

Genau daran will Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU) nun schrauben. „Die Schuldenbremse ist im Sinne solider Finanzen eine gute Idee. Ihre derzeitige Ausgestaltung halte ich allerdings für gefährlich“, war am Donnerstag von ihm beim Nachrichtendienst X zu lesen. „Ohne Investitionen bröckelt die Zukunft unseres Landes.“

Mit Blick auf mögliche Enteignungen hat die Behörde errechnet: Die Wohnungen gemäß dem Volksentscheid vom September 2021 zu vergesellschaften, sei nur ohne Folgen für Mieter und Landeshaushalt möglich, wenn die Eigentümer dafür nur ein Viertel des Verkehrswertes erhielten. Der Verkehrswert bezeichnet die Summe, die sie bekämen, wenn sie auf dem freien Markt verkaufen würden.

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