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: „Ein Moment der Utopie“

Roswitha Ziegler hat die Archäologie des Wendland-Protests gefilmt

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Ziegler, bei Ihrem siebten Film über die Proteste gegen das Endlager Gorleben haben Sie einen Archäologen begleitet, der nach Überresten der „Republik Freies Wendland“ von 1980 gräbt. War das nicht seltsam für Sie?

Roswitha Ziegler: Natürlich, ich habe das zuerst für einen Witz gehalten.

Der Archäologe Attila Dézsi war zur Zeit dieser Protestaktion noch gar nicht geboren.

Ja, und deshalb konnte ich ihn wie mit einer Figur aus einem Spielfilm benutzen, mit dem ich immer wieder aus der Vergangenheit zu seinen Ausgrabungen gehen konnte. Und weil dieser dramaturgische Faden vorgegeben war, konnte ich einfach zwischen den Zeiten hin und her springen.

Haben Sie selbst auch wie eine Archäologin gearbeitet?

Ja, ich habe auch selber gegraben. Etwa ein Viertel des Films besteht aus Aufnahmen von meinem Film „Der Traum von einer Sache“, den ich 1981 über das Hüttendorf gedreht hatte.

Foto: privat

Roswitha Ziegler

Jahrgang 1950, Dokumentarfilmerin, ist eine der Gründer*innen der Wend­ländischen Film­kooperative.

Sie haben auch einige Ihre damaligen Pro­t­ago­nis­t*in­nen wieder befragt, und dabei gibt es dann diesen „Damals und heute“-Effekt, den so nur Fotografie und der Film hervorbringen können …

Das war ein gefundenes Fressen, weil damit so einfach zu strukturieren ist. Da zeigt man etwa die Ausgrabungsstätte, auf der inzwischen alles mit Bäumen überwachsen war. Und dann kann man zu einer Totalen dazu schneiden, wie es da vor 40 Jahren ausgesehen hat.

Ihre Prot­ago­nis­t*in­nen erzählen auch, wie sehr sie durch die 33 Tage, in denen das Hüttendorf bestanden hat, geprägt wurden.

Genau, so sagt ein Landwirt, dass er wegen dieses Ereignisses damals Biobauer geworden ist. Das war damals ein ganz besonderer Moment der Utopie, als etwas anderes möglich zu sein schien, und der dem ganzen Landstrich bis heute einen anderen Anstrich gegeben hat. Wenn ich jetzt über die Dörfer fahre, weiß ich in jedem Ort jemanden, zu dem ich gehen könnte.

Die Wendländische Filmkooperative hat sich immer auch als Teil der Anti-Atomkraft-Bewegung gesehen …

Filmvorführung: „33 Tage Utopie“, B-Movie, Hamburg, 24. 11., 19 Uhr

Ja, und als ich 1978 damit angefangen habe dort zu drehen, hätte ich nicht gedacht, dass mich das mein Leben lang begleiten wird.

Gab es bei der eher ärmlichen Ausbeute der Grabungen für Sie eine Überraschung?

Ja! Das waren die Spuren der Planierraupen, die das Dorf damals zerstört haben. Dass die nach über 40 Jahren noch im Erdboden sichtbar waren und vom Archäologen mit kleinen Pinselchen zutage gefördert wurden, finde ich total irre!