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: „Viele gute Autoren und vor allem Lyriker“

In zehn Bänden will Bert Strebe Hannovers Poetenszene erkunden. Das Lyrikfest feiert das Erscheinen der ersten drei Bände

Interview Nadine Conti

taz: Herr Strebe, Sie sprechen von der „Literaturstadt Hannover“ mit einer „regen Lyrikszene“. Das müssen Sie erklären …

Bert Strebe: Ich lebe seit 1995 hier und bin in Hildesheim aufgewachsen. Früher bestand die Literaturszene hier aus alten weißen Männern, die sich gegenseitig entweder gefördert oder bekriegt haben. Vom Niveau her war das auch nicht so toll. Das hat sich aber in den letzten Jahrzehnten radikal verändert.

Woran liegt das?

Neben den zahlreichen Schreibwerkstätten, die hier entstanden sind, ist einer der wesentlichen Punkte wahrscheinlich der Studiengang „Kreatives Schreiben“ an der Uni Hildesheim. Viele, die da studieren, möchten nicht unbedingt in Hildesheim wohnen. Die landen dann in Hannover.

Aber ein paar Talente machen ja noch keine Szene.

Das stimmt. Das Kulturbüro der Stadt hat irgendwann angefangen, Vernetzungstreffen zu organisieren. Und da saßen wir plötzlich mit 150 Autorinnen und Autoren aus Hannover, die einander kaum kannten. Da ist mir aufgefallen, dass es hier nicht nur viele, sondern auch ziemlich viele gute Autoren und vor allem Lyriker gibt.

So entstand die Idee für eine Lyrikreihe?

Ursprünglich hatte ich gehofft, ich finde jemanden, der das macht und bringe dann auch selber noch einen kleinen Band unter. Leider fand sich niemand. Also musste ich das selber machen. Da gibt es dann natürlich kein Buch von mir, das gehört sich ja nicht, wenn man Herausgeber ist.

Wie geht man das denn an, so als Herausgeber?

Foto: Friederike Krohn

Bert Strebe, 65, Dichter, ist Redakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen und Herausgeber der Lyrikedition Hannover im Wehrhahn Verlag.

Ich hatte ziemlich schnell eine Liste von zehn Autoren, die ich gern dabei haben wollte. Und dann habe ich das mal durchkalkuliert und kam auf den erschreckenden Wert von 33.000 Euro – also, wenn man nicht nur Bücher und Wasserglas-Lesungen macht, sondern auch das Drumherum – Social Media Auftritte, Videoporträts, ein jährliches Lyrikfest. Also habe ich angefangen, Förderanträge zu schreiben. Das mache ich übrigens nie wieder. Das ist sehr, sehr viel Arbeit.

Unter Verlegern und Buchhändlern gilt Lyrik eher als Kassengift …

Das verdanken wir zu 80 Prozent den Deutschlehrern und Lehrplänen. Das kennt doch jeder noch: Da soll man irgendwelche Texte interpretieren, die man nicht verstanden hat und im Hinterkopf der Lehrer läuft bereits die Interpretation, auf die sie gern kommen möchten. Dieser schematische, beamtenmäßige Zugriff verbaut uns den Zugang zu dem, was Lyrik eigentlich ist.

Nämlich? Was ist Lyrik denn?

Die offenste Form überhaupt. Eine, die davon lebt, gelesen zu werden. Weil sie in jedem Leser etwas anderes auslöst, andere Assoziationsräume öffnet.

Und deshalb setzen Sie jetzt auf Social Media statt „Wasserglaslesungen mit Weltschmerz“, wie Sie es ausgedrückt haben?

Persönlich bin ich kein wahnsinnig großer Fan von sozialen Medien. Ich habe mir da Unterstützung gesucht. Es gibt eine junge Autorin, die das betreut. Außerdem haben wir Studenten von der Hochschule Hannover, betreut von Professor Wilfried Köpke die Videoporträts der Autoren drehen. Ich wollte einfach junge Leute dabei haben.

Lyrikfest: 1. 12., 19 Uhr im Literaturhaus Hannover. Infos: literaturhaus-hannover.de

Die ausgewählten Autoren sind aber eher ältere Semester.

Für die ersten drei Bände habe ich Autoren ausgewählt, die schon einen gewissen Namen haben – da ist das halt so, aber da kommt ja noch mehr. Drei weitere Bände im nächsten Jahr, vier im Jahr darauf.

Den Auftakt machen Caroline Hartge, Sabine Göttel und Hans Georg Bulla.

Das sind wirklich tolle Autoren. Hans Georg Bulla ist ein großartiger, manchmal etwas melancholischer Alltagsgeschichtenerzähler. Caroline Hartge halte ich für eine der besten Dichterinnen überhaupt in Deutschland, mit einem ungeheuren Sprachgefühl, ich habe noch nie ein schlechtes Gedicht von ihr gelesen. Sabine Göttel hat eine sehr eigene Sprache, eine ganz eigene Intensität.