taz🐾thema
: grünes geld

die verlagsseiten der taz

Im Dschungel der vermeintlich grünen Geldanlagen

Greenwashing ist bei Anbietern von Investments weit verbreitet. Die Verbraucherzentrale geht dagegen vor, aber auch die Anleger selbst sollten aufpassen

Wäre es doch immer so klar wie bei der Windkraft. Die EU plant, auch Erdgas und Atomkraft grün zu labeln   Foto: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Von Bernward Janzing

Zumindest in einem Punkt sind sich die meisten Branchenkenner einig: Die Abgrenzung grüner Geldanlagen liegt zum großen Teil im Auge des Betrachters. „Was nachhaltige Geldanlagen sind, ist bislang gesetzlich nicht definiert“, erklärt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Das liege auch daran, dass „eine einheitliche Definition nicht ganz so einfach“ ist. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bestätigt das: „Noch gibt es keine einheitlichen Mindeststandards für nachhaltige Geldanlagen und kein unabhängiges Verbraucherlabel.“ So führt die Unsicherheit oft zu Green­washing.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, rät Kunden bei der Geldanlage daher: „Betrachten Sie Wirkungsversprechen immer mit Skepsis.“ Denn jeder Anbieter verstehe unter ökologischen, nachhaltigen, grünen oder klimafreundlichen Geldanlagen etwas anderes. Eine formale Regelung ist zwar mit der sogenannten Taxonomie-Verordnung in Sicht, die Ende Oktober vom Europäischen Rat angenommen wurde. Doch sie ist heiß umstritten; Greenpeace hat schon eine Klage angekündigt, weil die EU plane, auch „fossiles Gas und riskante Atomkraft grün zu labeln“. Die Frage, was grün ist, soll dann eines Tages zwar juristisch irgendwie definiert sein, doch was das Bürgern bei ihrer Anlageentscheidung bringt, bleibt unklar.

Die Unsicherheiten sind heute groß. Wenn Finanzdienstleister bei der Werbung für ihre angeblich so grünen Investments allzu weit gehen, stoßen sie deswegen mitunter auf Widerstand der Verbraucherzentralen. Das musste zum Beispiel vor zwei Jahren die DekaBank erfahren, nachdem sie einen „Impact-Rechner“ entwickelt hatte, der vorgab, der Anleger könne damit eine konkrete Umweltwirkung seines Investments ermitteln. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warf dem Geldinstitut daraufhin irreführende Aussagen vor – und die DekaBank lenkte ein.

Ähnlich erging es dem Finanzdienstleister Tomorrow. Dieser hatte für ein klimaneutrales Girokonto geworben und den Verbrauchern in Aussicht gestellt, sie würden damit ihren persönlichen CO2-Fußabdruck kompensieren. „Nach Abmahnung der Verbraucherzentrale hat die Tomorrow GmbH ihre Werbung korrigiert“, teilten die Verbraucherschützer anschließend mit. In einem weiteren Fall gegen die CommerzReal entschied das Landgericht Stuttgart, dass es unzulässig sei, damit zu werben, ein bestimmtes Investment könne den „persönlichen CO2-Fußabdruck“ um ein konkret definiertes Maß senken, wenn dabei die Berechnungsgrundlage unklar bleibe.

Unterdessen werfen auch andere Akteure längst einen kritischen Blick auf das Greenwashing im Finanzsektor. Die Bürgerbewegung Finanzwende e. V. bezeichnet die zur Deutschen Bank gehörende Vermögensverwaltung DWS als „Spitzenreiterin in Sachen Greenwashing“. Vermeintlich grüne DWS-Fonds hätten „im Krisenjahr 2022 Aktien fossiler Unternehmen im Wert von über 850 Millionen US-Dollar zugekauft“.

Drei relevante Indizien

Weil die Aussagen der Anbieter zur Nachhaltigkeit für potenzielle Anleger kaum überprüfbar sind, fordert die Verbraucherzentrale nun eine Bewertung durch eine „staatliche Institution oder eine durch den Staat mit Hoheitsrechten ausgestattete Institution auf Grundlage eines gesetzlichen Kennzeichnungssystems“. Zugleich spricht auch die Bafin von einem „zuweilen schillernden Nachhaltigkeitsbegriff“ und verweist auf die unterschiedlichen Interpretationen des Wortes: „In der Umweltpolitik meint Nachhaltigkeit die dauerhafte ökologische Verträglichkeit wirtschaftlichen Handelns.“ Für viele Wirtschaftswissenschaftler hingegen bedeute Nachhaltigkeit, dass Unternehmen dauerhaft ökonomischen Erfolg erwirtschaften.

Und doch gibt es Indizien, anhand derer sich Kunden im Dschungel der vermeintlich grünen Geldanlagen orientieren können. Die Umweltorganisation Greenpeace hat dazu ein paar Tipps parat und regt zur Analyse anhand von drei Aspekten an. Erstens: „Welche Geschäfte möchtest du auf keinen Fall unterstützen?“ Damit fallen dann Investitionen in solche Firmen heraus, die zum Beispiel Geschäfte mit fossilen Energien oder Atomkraft machen – je nach persönlichem Geschmack. Zweitens: „Welche Nachhaltigkeitsthemen sind dir wichtig?“ Eher Energie und Klimaschutz? Oder Landwirtschaft und Biodiversität? Je nach persönlicher Vorliebe variieren dann die ­Optionen. Und schließlich drittens: „Prüfe nicht nur das Finanzprodukt, sondern auch den Anbieter.“

Man stelle sich also die Frage, ob man „ein Öko-T-Shirt mit ‚grünem Etikett‘ bei einer großen Modekette kaufen“ würde, wenn man genau weiß, dass es sich bei dem grünen Produkt nur um einen winzigen Geschäftszweig des Unternehmens handelt. Zugleich seien unternehmenseigene Siegel ohne transparente Kriterien ein Warnzeichen, ebenso wie „schöne Naturbilder und prominente Testimonials“ – statt fundierter Informationen.

Zu guter Letzt möge man kritisch bleiben bei Werbung für ein Finanzprodukt, wenn nichtgeschützte Begriffe wie „nachhaltig“, „grün“, „ethisch“, oder „ESG“ (Environmental, Social and Governance) ohne klare Definition verwendet werden. „Auch wenn die Werbung es suggeriert, ist ESG kein einheitlicher Standard, sondern nicht selten ein Fall fürs Nachhaltigkeits-Bullshit-Bingo“, schreibt Greenpeace.