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Kunsthaus Hamburg wird 60Offene Türen

Das Hamburger Kunsthaus hat gerade erst eine neue Leiterin bekommen und muss bald umziehen. Überraschend, wie lustvoll es 60-jähriges Bestehen feiert.

Thema Gemeinschaft: Die Lichtinstallation „Bonfire“ erinnert ans gute alte Lagerfeuer Foto: Grau/Kunsthaus

60 Jahre, das ist doch kein Alter. Unter den Anlässen zu feiern jedenfalls stehen andere höher im Kurs, 25 oder 50 oder 75. Mit 60 geht ja der arbeitende Mensch nicht mal mehr in Ruhestand heutzutage, oder zumindest tun das nur die Allerwenigsten.

60 Jahre, das ist doch kein Alter, keines zumindest, das nach einem Blick zurück riefe, nach stolzer Bilanz und nostalgischer Schwärmerei – oder? Denn wer dieser Tage hineingeht ins Hamburger Kunsthaus, stößt erstmal auf so ein Zurück, auf ausgehängte vergangene Glorie: Ausstellungsplakate aus den, eben, vergangenen 60 Jahren zieren die Wände des Foyers. Denn das Haus existiert seit 1963, und seit ziemlich genau 30 Jahren an diesem Ort. Es dürfte also allerlei Erinnerungswürdiges geben.

„Das tun wir durchaus auch“, sagt Anna Nowak, die im Juli erst die künstlerische Leitung angetreten hat, nach fast fünf Jahren als Kuratorin hier. „Wir gucken gerade in viele Ordner, wir gucken, was unten im Keller so alles verborgen ist.“ Nowak spricht durchaus auch von vergangenen Ausstellungen, diesem oder jenem „ganz, ganz tollen Projekt mit mittlerweile bekannten Künstlern“, das man durchgeführt habe, auch mit den Nachbar_innen vom Hamburger Kunstverein. Aber noch mehr betont sie die Idee hinter der Gründung: Das Haus gebe es ja überhaupt nur dank der Initiative von Hamburger Künst­le­r_in­nen.

Lokal, nicht provinziell

Was keinesfalls verwechselt werden darf mit Provinzialität. Ja, Hauptgesellschafter des Kunsthauses – genauer: der Kunsthaus gGmbH – ist der Hamburger Berufsverband bildender Künst­le­r_in­nen (BBK), man richtet die städtischen Sti­pen­dia­t_in­nen­aus­stel­lun­gen aus und derlei. Aber es wird eben auch internationale hoch ambitionierte, um Diskurs bemühte, politische Kunst gezeigt. Dass Nowak als Kuratorin die Schwerpunkte Transkulturalität, Digitalität und Biodiversität auszeichneten, ist ja auch so selbstverständlich nicht; postkolonial, feministisch, technophilosophisch, Identitäten hinterfragend waren in der allerjüngsten Vergangenheit die theoretischen Grundlagen des Programms, die Beteiligten so international wie -disziplinär.

Das Programm

Jubiläumsprogramm „Once in a blue moon“: bis 4.11., Di–So, Hamburg, Kunsthaus.

Curated Sound II: Sa, 28. 10., 16–22 Uhr; Curated Sound III: Di, 31. 10., 16–22 Uhr;

Symposium „Zur Bedeutung der Bildenden Kunst in Hamburg“: 4.11., 10–20 Uhr. An den übrigen Tagen offenes musikalisches Programm von 16-22 Uhr

Weniger das Regional-Fokussierte am Gründungsmythos habe demnach Inspiration gestiftet, vielmehr das Von-Unten-Kommende daran, das Mitmach-, das Selbstorganisationsmoment. „Und dann habe ich gedacht: Okay, das ergibt total Sinn, wenn wir zum 60. einen solidarischen Sozialraum schaffen“, erzählt Nowak nun, „alle willkommen heißen und alle einladen.“ Und so wird der Ausstellungsraum, der sich anschließt ans sacht nostalgische Foyer, für die Dauer dieser Jubiläumsfeier, also rund einen Monat lang, zu einem Club: Eine Bar gibt es darin, ein DJ-Pult, und wenn auch keine echte Bühne, so doch ein konzeptuelles Open Stage.

Offene Bühne (ohne Bühne)

Online konnten schon vorab Zwei-Stunden-Slots gebucht werden, in denen Platten aufgelegt werden können oder auch selbst musiziert werden kann. Das Kunsthaus hat seine Öffnungszeiten in den Abend hinein verlängert, unter der Woche jeweils von 16 bis 22 Uhr ist der Kunstclub geöffnet, also ideal für den Heimweg-Abstecher von Menschen mit halbwegs gesunden Arbeitszeiten, und die gibt es in der Hamburger Innenstadt.

An den Wochenenden und Feiertagen ist spezielles Programm geplant, „Curated Sound“ genannt; es kuratieren da etwa die Ausrichter der Experimentalkonzertreihe „4fakultät“, die auch selbst schon im Kunsthaus zu Gast war. Wem das nun alles etwas zu flüchtig und dem Normalbetrieb eher fern vorkommen sollte: Es sind in der Halle mit der Bar auch drei Installationen zu erleben, etwa das tatsächlich an ein übergroßes Lagerfeuer erinnernde „Bonfire“ des Duos „Grau“, dazu Nicolaas Schmidts mehrere Millionen Farbschattierungen abspulende Videoarbeit „36KFRGB“. Leicht zu übersehen ist da geradezu Mariella Moslers „Soft Grid #1“ (2023) – auch, aber nicht nur, weil diese Arbeit an der Decke hängt, dort die bauliche Gliederung betont: in Form von die Raumachsen verlängernden silbernen Lametta-Girlanden.

Die Prominenz der Musik und des ihr Nahen kann durchaus verwundern. Denn es ist ja gerade eine benachbarte Musik-, nämlich Rockkonzert-Bühne, die durchaus legendäre Markthalle, deren Platzbedarf am Bestand des Kunsthauses nagt und ebenso an dem der anderen Galerien, der Freien Akademie der Künste und des Kunstvereins. All diese Einrichtungen der Bildenden, vereinzelt auch mal performativen Künste nämlich drohen sich zu verschlechtern, was den ihnen gewährten Platz angeht, aber auch ihre Sichtbarkeit: Die Markthalle dürfte mehr Quadratmeter gebrauchen und bekommt sie vom städtischen Vermieter auch in Aussicht gestellt. Und egal, wie das ausgeht: Für die Dauer der überfälligen Sanierung muss sich das Kunsthaus in jedem Fall eine neue Heimat suchen.

Schwelender Konflikt im Kunsthaus Hamburg

Es ist für Beobachtende nicht nötig, sich in der Sache zur Partei zu machen, es brauchen die Bedürfnisse der verschiedenen kulturellen Sparten nicht gegeneinander ausgespielt zu werden: Auch diese Lesart erlaubt das Jubiläumsprogramm. Aber ernst nehmen sie im Kunsthaus und den anderen schon, wie sehr sie Gehör finden in den beteiligten Behörden – oder halt nicht.

Durchaus ein Kommentar zu diesem schwelenden Konflikt ist, wenn dann zum Abschluss der Feierlichkeiten am 4. November ein ganztägiges Symposium die Rolle der Kunst in Hamburg beleuchtet – und ihr gleich selbst wiederum Material liefert: Der Klangkünstler und Noise-Theoretiker David Wallraf kündigt „interaktives Audiosampling“ auf der Veranstaltung an. Woraus hoffentlich niemand ableitet, lieber den Mund nicht zu öffnen, weil man ja aufgezeichnet werden könnte.

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