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kritisch gesehen: „mutter courage und ihre kinder“ am theater kielDer Tod sitzt am Klavier

Drei Menschen bewegen an Seilen ziehend eine Drehbühne. In deren Mitte hat der Tod in Form eines Skelett-Kostüms am Klavier Platz genommen. Dies ist das eindrucksvollste Bild der Inszenierung von Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ am Theater Kiel. Während die Figuren auf der Bühne an Hunger, Kälte und Gewalt leiden, bleibt der Tod stets präsent. Dabei stimmt er nicht immer barock klingende Musik an, manchmal vermischen sich seine Umrisse auch mit der Kulisse, wenn er sich vor eine große schwarze Tafel stellt, die in unterschiedlichen Konstellationen als Bühnenbild fungiert.

Während die Endlichkeit immer wieder in verkörperter Form erscheint, begleitet das Publikum über zweieinhalb Stunden lang die reisende Händlerin Mutter Courage durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Agnes Richter überzeugt als Überlebenskünstlerin, die sich bemüht, ihre drei Kinder vor dem Elend ihrer Epoche zu schützen. Neben der Hauptdarstellerin beeindruckt schauspielerisch vor allem Eva Kewer als stumme Kattrin, in dessen Gesicht im Verlauf des Abends so viel erlebtes Leid anschaulich wird.

Regisseur Carlos Wagner bleibt mit seiner Inszenierung dicht an Brechts Text, auch wenn einige Szenen etwas zu komödiantisch daherkommen. Die für das epische Theater typischen Songs fehlen ebenfalls nicht. Insbesondere die musikalischen Darbietungen zählen zu den stärksten Momenten der Aufführung.

Solide, aber ohne Gegenwartsbezug

Im Begleitheft findet sich ein passend ausgewähltes Gedicht des ukrainischen Schriftstellers Sehrij Zhadan, in dem es heißt: „Hier sind wir […] Mit einer Sprache, Vogellauten gleich. / Mit Stimmen wie von Tieren, die sich zurufen, / wenn sie sehen, wie von allen Seiten das Feuer näher rückt.“ Worte, die man auf Kriege aus der Frühen Neuzeit genauso beziehen kann wie auf die Gegenwart. Bei dieser einen Verknüpfung zur Ukraine bleibt es allerdings. Dem Publikum wird es jedoch nicht schwerfallen, manche Zitate Brechts auch so auf das aktuelle Kriegsgeschehen zu übertragen.

Das ist bedauerlich, da bewusste Akzentuierungen die Möglichkeit geboten hätten, das Überzeitliche des Dramas mit der konkreten Gegenwart zu verbinden. Schließlich ist für die Menschen in der Ukraine der Krieg längst trauriger Alltag geworden, ebenso wie für Brechts umherziehende Händlerin. So gelingt Wagner letztlich eine solide werkgetreue Inszenierung, der man die Länge der Aufführung nicht anmerkt. Ein Gegenwartsbezug hätte in diesen Zeiten vielleicht etwas Außergewöhnliches daraus werden lassen. Lenard Brar Manthey Rojas

Nächste Vorstellungen: heute sowie 13. + 26. 10., 20 Uhr

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