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das portraitSaskia Etzoldbaut in Bremen eine Gewaltschutz-Ambulanz auf

Saskia Etzold wusste früh, was sie will. „Es gibt doch diese Freundesbücher. Da habe ich schon als Kind reingeschrieben, dass ich Ärztin werden will“, sagt sie. Heute baut die 43-Jährige in Bremen die zweite Gewaltschutzambulanz ihres Lebens mit auf. Etzold studierte in Hamburg und ging danach an die Charité in Berlin. Dort machte sie 2012 ihren Facharzt in der Rechtsmedizin. „Die Leidenschaft mit lebenden Gewaltopfern zu arbeiten, habe ich früh entdeckt“, sagt sie. Ihr sei es sehr wichtig, Opfern von Gewalt eine Stimme zu geben: „Sie betreten eine sehr schwarze Phase in ihrem Leben“, sagt die Rechtsmedizinerin.

So baute sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael Tsokos ab 2014 die Gewaltschutzambulanz an der Charité auf. Die Ambulanz dokumentiert und untersucht Verletzungen von Menschen, die Gewalt erlebt haben. Dazu zählt sexualisierte, häusliche, oder auch Gewalt in der Öffentlichkeit. Falls sich Betroffene entscheiden gegen die Täter vorzugehen, haben sie durch die Spurensicherung ein Beweismittel in der Hand. „Jedes Verletzungsmuster erzählt eine Geschichte“, sagt Etzold.

Emotional nähmen die Fälle sie nicht mit: „Mir hat mal eine Kollegin gesagt: Unser Job ist es mitzuschwingen, nicht mitzuleiden.“ Sie sehe ihre Arbeit positiv. Als sie die Betroffenen des Breitscheidplatz-Attentats untersuchte, bei dem Anis Amri im Dezember 2016 mit einem Lkw in den Berliner Weihnachtsmarkt raste und 12 Menschen tötete, konnten die Verletzten durch die Dokumentation finanzielle Entschädigungen beantragen. „Ich würde den Job nicht machen, wenn ich keine Distanz wahren könnte“, sagt Etzold. Rechtsmediziner zeichneten sich dadurch aus, dass sie lebensfrohe Menschen seien – so hätten auch in ihrem Leben Familie, Freunde und ihr Ehemann einen hohen Stellenwert. Um zwei Uhr morgens würde sie aber nicht mehr in eine U-Bahn steigen, dafür habe sie zu viele Fälle von Gewalt gesehen.

Nun geht Etzold von Berlin zurück in den Norden, um in Bremen die neue Gewaltschutzambulanz nach dem Berliner Vorbild aufzubauen. Die Eröffnung ist für 2024 geplant. „Es ist eine tolle Chance, diesen Weg nochmal zu gehen – dieses Mal mit Erfahrung“, sagt die Medizinerin. Schon länger hätten sie und ihr Mann mit dem Gedanken gespielt, in den Norden zurückzukehren. „Berlin hat sich leider keinen Zentimeter weiter ans Meer bewegt – das haben wir irgendwann eingesehen“, sagt Etzold.

Auch eigne sich Bremen für das gemeinsame Hobby besser: „Seit Frühling nehmen wir Reitunterricht“, erzählt sie. Die anderen Teilnehmer schauten sie mit großen Augen an – die Altersspanne im Reitunterricht liege normalerweise zwischen fünf und 15 Jahren. „In deren Augen bin ich eine Hundertjährige!“, sagt Etzold. Ihren Ehemann, einen Autor, habe sie beim Sezieren einer Leiche kennengelernt. „Er stattete mir mit meinem Chef einen Besuch ab, weil sie zusammen ein Buch schrieben“, sagt sie.

Für die Zukunft hat sie keine weiteren Pläne: Erst mal möchte sie den Umzug hinter sich bringen. „Ich bin ein Mensch, der Ordnung mag, alles andere löst in mir Horrorszenarien aus“, sagt Etzold. Nina Spannuth

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