Die Wahrheit: Keine Ahnung
Lebenslänglich Bayer: Nicht nur für Auswärtige sind die seltsamen Sitten des Freistaats kaum zu verstehen.
D ass er Bayern wohl nie verstehen werde, hat mir ein Freund gesagt, als dann feststand, wie rechts im Freistaat gewählt worden ist. Dann hat er mich so angeschaut, als könne ich ihm erklären, wie das passieren konnte. Als ob ich Bayern je verstanden hätte! Mein Heimatland war mir immer ein Rätsel. Lange bevor ich ins Exil nach Berlin gegangen bin, habe ich angefangen, mich zu wundern über dieses merkwürdige Gebilde, auf das so viele Leute so fürchterlich stolz sind.
Da ist die Musik. Ich bin aufgewachsen zum Sound der Original Oberkrainer. Und ich war mir sicher, dass es sich dabei um eine urbayerische Musikkapelle handelt. Zwar habe ich mich gewundert, dass der Bandleader Slavko Avsenik hieß, aber dass er aus Slowenien kam, darauf wäre ich nie gekommen. Slowenien gab es damals noch gar nicht. Das war Jugoslawien. Dahin ist der Robert mit seinen Eltern immer in den Urlaub gefahren, worüber auf dem Gymnasium immer gelacht wurde. Man hatte nach Italien zu reisen, mindestens. Ein Mann aus einem Land, das allgemein verachtet wurde, lieferte also den Sound für Bayern. Wer soll das verstehen? Später habe ich erfahren, dass die Oberkrainer nur deshalb auf Instrumentals gesetzt haben, weil sie die Texte, die ihnen Slavoj Žižek geschrieben hatte, nicht kapiert haben. Liegt hier der Grund für die Popularität der Oberkrainer? Es bleibt ein Rätsel.
So wie es mir völlig schleierhaft ist, warum in Bayern ausgerechnet der König, der am schlechtesten mit Geld umgehen konnte, die hässlichsten Prunkschuppen gebaut hat und noch dazu schwul war, bis heute wie ein Heiliger verehrt wird. Leute, für die eine Genderpflicht, die es gar nicht gibt, schlimmer ist als die Todesstrafe, kommen ins Schwärmen, wenn von König Ludwig II., ihrem geliebten „Kini“, die Rede ist. Nein, das kann man nicht verstehen.
Wie es sein kann, dass ein ehemaliger Fußballer, der in Baden-Württemberg geboren ist, einen Verein aus München geleitet, fränkische Würstchen als Massenprodukt für Aldi hergestellt und Steuern in zweistelliger Millionenhöhe hinterzogen hat, als eine Art moralische Instanz im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks das Landtagswahlergebnis kommentieren darf, konnte mir bis jetzt auch noch niemand schlüssig erklären. Ich kann das schon gar nicht.
Und wie Leute ernsthaft behaupten können, in Bayern funktioniere einfach alles besser als anderswo in Deutschland, frage ich mich immer, wenn ich in München mit der S-Bahn fahren muss. Die ist einfach dysfunktional. Und die Röhre, die zu ihrer Entlastung in tiefster Bergwerkstiefe gegraben wird, soll statt der geplanten 3,8 Milliarden Euro nun über 8 Milliarden kosten. Die Eröffnung war mal für 2028 geplant. Nun rechnet man mit einer Fertigstellung 2037. Als damals dieser Flughafen einfach nicht fertig wurde, hat die ganze Republik über Berlin gelacht. Über Bayern lacht niemand. Auch das ist nicht zu verstehen.
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