: Schwarzes Meer: Getreideschiffe starten wieder
Zivile Frachter erreichen Hafen der Ukraine. Angriffe haben Russlands Kriegsmarine zuvor geschwächt
Von Dominic Johnson
Zum ersten Mal seit Russlands Aufkündigung des Ukraine-Getreidedeals vor zwei Monaten haben wieder zivile Frachtschiffe aus dem Ausland einen ukrainischen Hafen erreicht, um Getreide für den Export zu laden. Die Frachter „Resilient Africa“ und „Aroyat“, die unter der Flagge des Pazifik-Inselstaates Palau unterwegs sind, erreichten den Hafen Tschornomorsk in der Nacht zu Sonntag, teilten die ukrainischen Behörden mit. Sie sollten dort 20.000 Tonnen Weizen für Ägypten und Israel aufladen.
Russland sieht seit Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 den gesamten Schiffsverkehr im Schwarzen Meer als legitimes militärisches Ziel an. Daher brach der Getreideexport aus der Ukraine zu Kriegsbeginn abrupt zusammen, 20 Millionen Tonnen Weizen und Mais waren in ukrainischen Häfen blockiert und weltweit schnellten Lebensmittelpreise in die Höhe. Die Krise linderte sich erst, als im Juli 2022 ein von der UN und der Türkei vermittelter Deal die Wiederaufnahme des Schiffsverkehrs ermöglichte: Frachter aus drei designierten ukrainischen Häfen durften wieder ungestört verkehren, vorbehaltlich einer internationalen Inspektion unter Mitwirkung Russlands beim Passieren der Bosporus-Meerenge bei Istanbul.
Dieser mehrfach verlängerte Deal wurde im Juli 2023 von Russland einseitig aufgekündigt. Seitdem sind nur noch Frachter aus der Ukraine losgefahren, die beim Ende des Deals gerade an der Schwarzmeerküste waren – insgesamt fünf. Sie haben einen von der Ukraine empfohlenen „humanitären Korridor“ entlang der rumänischen und bulgarischen Schwarzmeerküste genutzt, der so weit wie möglich durch die Gewässer von Nato-Mitgliedern führt.
Immer wieder hat Russland derweil ukrainische Hafenanlagen und Getreidelager bombardiert. Seit Ende des Deals hat es nach ukrainischen Angaben 118 russische Angriffe auf ukrainische Häfen gegeben; ein Drittel der Hafeneinrichtungen sei zerstört worden.
Nach russischen Drohungen, auch zivile Schiffe zu beschießen, die ukrainische Häfen anlaufen, hatte sich vor Kurzem Großbritannien bereit erklärt, militärischen Schutz für zivilen Schiffsverkehr im Schwarzen Meer bereitzustellen. Die britische Luftwaffe fliege Patrouillen, „um Russland davon abzuschrecken, illegale Angriffe auf zivile Getreidetransportschiffe durchzuführen“, erklärte die britische Regierung am 7. September.
Inzwischen stört die Ukraine auch die russische Marinepräsenz im Schwarzen Meer. So wurden am 11. September vier von Russland besetzte ukrainische Öl- und Gasplattformen im westlichen Schwarzen Meer zurückerobert und die dort von Russland installierten Radaranlagen zerstört.
In der Nacht zum 13. September beschädigte die Ukraine mutmaßlich mit britischen und französischen Marschflugkörpern das russische Landungsschiff „Minsk“ und das U-Boot „Rostow“ im Hafen Sewastopol auf der besetzten Krim. Das britische Verteidigungsministerium erklärte am Freitag: „Obwohl das russische Verteidigungsministerium die Schäden herunterspielt, legen offen zugängliche Quellen nahe, dass die Minsk beinahe sicher funktionell zerstört wurde und die Rostow wahrscheinlich katastrophale Schäden erlitt.“ Ukrainische Quellen sprachen am Sonntag von erfolgreichen Angriffen auf sieben russische Schiffe in vier Tagen. Marschflugkörper und Seedrohnen kamen dabei zum Einsatz.
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