piwik no script img

verbuddeltHamburger Senat legt S-Bahn-Linie unter die Erde, das bringt nur Ärger

Wo Menschen arbeiten, muss es Tageslicht geben und Fenster nach außen, damit sie mitbekommen, was draußen passiert. Derlei Vorgaben aus dem Arbeitsschutz sind kein Thema, wenn es um die Planung von U- und S-Bahnen geht. In Hamburg wird derzeit gerade mit der neuen U5 und dem „Verbindungsbahnentlastungstunnel“ (VET) an zwei milliardenschweren Verkehrsprojekten getüftelt, die dafür sorgen, dass die vernünftigen Menschen, die den öffentlichen Nahverkehr nutzen, künftig mehr im Dunkeln fahren.

Derzeit fahren noch drei S-Bahn-Linien vom Hauptbahnhof über die Lombardsbrücke, wo es Tageslicht und einen schönen Blick auf die Alster gibt, über die Bahnhöfe Dammtor, Sternschanze und Holstenstraße in den Westen Richtung Altona. Dieser Bahndamm heißt – da Altona und Hamburg früher getrennte Städte waren – „Verbindungsbahn“ und hat neben den zwei S-Bahn-Gleisen auch noch zwei Fernbahngleise.

Für den „Deutschlandtakt“ brauche die Bahn dringend alle vier Gleise, heißt es nun. Und deshalb soll der VET-Tunnel her. Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) präsentierte dafür am Dienstag zwei Strecken, die zur Auswahl stünden: Entweder direkt unter der jetzigen Linie oder weiter südlich soll der Tunnel verlaufen. Dann hätten die S-Bahn-Linien an der Feldstraße, wo auch Hamburgs Jahrmarkt, der „Dom“, stattfindet, und an der Max-Brauer-Allee eine Haltestation. „Eigener Bahnhof für den Dom und St. Pauli“, titelte eine Zeitung.

Das klingt so, als bekämen die Hamburger etwas geschenkt. Die Kosten nannten Bahn und Senator nicht, aber es werden viele Milliarden Euro sein – Kritiker schätzen zwölf. Und der Bund will zwar den Löwenanteil geben, sagt aber, Hamburg müsse auch etwas zahlen, da der Tunnel einen regionalen Nutzen habe.

Nur: Ist das so? Der beliebte S-Bahnhof Sternschanze würde wegfallen und allenfalls noch als Regionalhalt existieren, wenn es diesen Feldstraßen-Halt eines Tages gäbe. Zudem hat Hamburgs Dom mit den U-Bahn-Haltestellen St. Pauli und Feldstraße schon zwei eigene Bahnhöfe. Dafür fiele der S-Bahn-Halt Holstenstraße weg – ein Nullsummenspiel.

Es gebe für die Engpässe auf der Verbindungsbahn eine ganz einfache Lösung, sagen indes Kritiker wie Heike Sudmann von der Linken. „Das Nadelöhr ist der Bahnhof Dammtor“, sagt die Verkehrspolitikerin. Denn am Dammtor halten die Fernzüge nur an einem Bahnsteig und halten damit spätere Züge auf. Es müsste nur dieser Bahnhof um zwei Bahnsteigkanten ergänzt werden. Dann ließen sich „locker“ die für den Deutschlandtakt vorgesehenen 13 Züge pro Stunde auf den bestehenden zwei Fernbahngleisen abfertigen. Das sei schneller und kostengünstiger, als „einen Tunnel quer durch die Stadt zu buddeln“.

Dessen Bau verlangt den Hamburgern einiges ab. Die nördliche Seite des Hauptbahnhofs, wo ein unterirdischer Bahnhof geplant ist, wird über Jahre eine große Baustelle sein, die andere S-Bahn Richtung Hafen wird über lange Zeit nur eingleisig benutzbar sein, und im weiteren Stadtgebiet wird es sehr tiefe und 220 Meter lange Baugruben für die Haltestellen geben. Auch die gleichzeitig geplante U5, die sich über 25 Kilometer Länge durch die Stadt schlängen soll, erfordert große, offene Baugruben.

Dabei ist Rausguckenkönnen nicht nur Luxus. Es ist gut für die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden

Und ist die mal fertig, haben deren führerlose Wagen zwar vorn schicke Fenster, an denen in den Animationen neugierige Kinder rausschauen. Zu sehen bekommen sie allenfalls die Haltestellen. Aus einer Straßenbahn, die Hamburg sich scheut zu bauen, hätten Fahrgäste viel zu gucken, so wie heute aus der Alster-S-Bahn.

Dabei ist Rausguckenkönnen nicht nur Luxus. Der Arbeitsschutz legt Wert darauf, weil es gut für die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden ist. Beim öffentlichen Nahverkehr kann es so falsch nicht sein. Bleibt zu hoffen, dass diese Unten-Verkehrsmittel so blitzschnell fahren, dass alle schnell wieder raus können. Kaija Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen