Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wo Rechtsextreme für die Ernte danken wollen

Ein Erntedankfest will auch die rechtsextreme Szene in diesem Jahr wieder feiern. Im niedersächsischen Eschede soll es am kommenden Wochenende stattfinden. „Die Heimat“, die bis vor Kurzem noch NPD hieß, dürfte erneut das Fest ausrichten. Der Parteiname ist zwar neu, die politische Ausrichtung und die kulturellen Feierlichkeiten sind aber geblieben. Und so will der niedersächsische Landesverband auf einem Hof am Rande der Gemeinde das „Bauerntum“ als „Lebenskraft unseres Volkes“ feiern, „unsere Kultur“ würdigen und die nordischen Götter zum Dank für die Ernte anrufen. Umrahmt von Reden, einem Flohmarkt, Kinderprogramm, Tänzen und Lagerfeuer kommen nicht bloß die Par­tei­mit­glie­der:in­nen zusammen.

Seit über 30 Jahren schon ist der frühere Hof des langjährigen NPD-Kaders Joachim Nahtz ein rechtsextremes Zentrum. Traditionelle Feiern wie das Erntedankfest, die hier stattfinden, sind auch immer Vernetzungstreffen für die gesamte Szene. „Ihr eigentliches Ziel ist es, auf diesen Zusammenkünften der norddeutschen Neonazi-Szene Kontakte zu pflegen, Termine abzusprechen und neue Aktionen vorzubereiten“, sagt Dirk Garvels. Der Vorsitzende des DGB-Kreisverbandes Celle ist der Versammlungsleiter des angekündigten Protestes. Er warnt davor, „diese Brauchtumsfeiern als harmlos“ einzustufen, das Gegenteil sei der Fall. Schließlich fänden diese Brauchtumsfeiern nicht im kleinem Rahmen statt. Zur vergangenen Sonnenwendfeier seien rund hundert An­hän­ge­r:in­nen gekommen, sagt Garvels.

Ein holpriger Schotterweg von der Landstraße 281 führt zu dem Hof. 2019 war bekannt geworden, dass Nahtz seinen Hof an den NPD-Landesverband verkauft hatte. Der Zustand des Hauses und Grundstück offenbarte schon längere Zeit die Geldprobleme des Besitzers. Nahtz musste bereits sieben Hektar Wiese verkaufen, 2014 fing die Scheune Feuer. Der Verkauf an die NPD führte zu großen Sorgen bei engagierten An­ti­fa­schis­t*in­nen in der Region. „Jetzt haben wir es nicht mehr nur mit einem irrlichternden Landwirt, sondern mit einer organisierten, rechtsextremen Parteistruktur in unserer Nachbarschaft zu tun. Das ist eine neue Qualität“, sagte damals der pensionierte Pastor Wilfried Manneke, der im „Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus“ aktiv ist. Das Netzwerk beklagte sich nach Bekanntwerden des Verkaufs über Verwaltung, Politik und Sicherheitsstrukturen, dass der Kauf durch die NPD nicht unterbunden wurde. Das Netzwerk stieß eine Onlinepetition gegen das Zentrum mit an. Im Juli 2021 wurde dem damaligen Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) dieser offene Brief mit fast 41.000 Unterschriften übergeben.

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Weil bei Privatverkäufen die Grenzen staatlichen Handelns aber schnell erreicht sind, konzentrierte sich das Netzwerk schnell wieder auf einen breiten zivilgesellschaftlichen Protest. Und der stört die NPD-Nachfolge nachhaltig.

Zwar hatten die Rechtsextremen schon immer ihre Veranstaltungen, von Brauchtumsfesten bis zu Konzerten, selten öffentlich angekündigt. Mit einzelnen Festen, die sie als vermeintlich unpolitische Veranstaltungen zu bewerben versuchten, gingen sie aber auch in die Öffentlichkeit. So wollten sie teils Präsenz zeigen, teils Akzeptanz gewinnen. Zuletzt trat die Szene in der Region verstärkt auf diese Weise auf, sagt Gravels.

Der Verkauf des Hofs an die NPD führte 2019 zu großen Sorgen bei engagierten An­ti­fa­schis­t*in­nen

Zum Protest gegen das Zentrum kommt am Wochenende auch Prominenz. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will eine Rede halten. Angekündigt haben sich auch der Escheder Bürgermeister Heinrich Lange und die Superintendentin des Kirchenkreises Celle, Dr. Andrea Burgk-Lempart. Der Demonstrationszug gegen das Erntedankfest soll am Samstag um 14 Uhr am Bahnhof in Eschede starten und in Sichtweite des Hofes enden.