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Verteidigungsminister Ben Wallace gehtAbgang eines Schwergewichts

Ben Wallace war zeitweise Großbritanniens populärster Politiker, nun ist er zurückgetreten. Ihm folgt ein Politiker mit Ukraine-Bezug.

Er geht: Verteidigungsminsiter Ben Wallace Foto: Kirsty Wigglesworth/ap

London taz | Das Vereinigte Königreich hat einen neuen Verteidigungsminister. Grant Shapps, der bisherige Energieminister, tritt an die Stelle von Ben Wallace, der am Donnerstagmorgen zurückgetreten ist. Wallace, der vier Jahre lang im Amt gewesen ist, nannte persönliche und familiäre Gründe für seinen Abgang. Es war damit gerechnet worden, denn seit Wochen war bekannt, dass Wallace bei den nächsten Parlamentswahlen nicht mehr antreten will. Aber der Rücktritt kommt jetzt früher als erwartet.

Der 53-jährige Wallace, der bei den Scots Guards militärischen Dienst geleistet hat, organisierte sowohl den Abzug der britischen Streitkräfte aus Afghanistan 2021 als auch die britische Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine 2022. Unter seiner Führung war Großbritannien schneller bei Unterstützungzusagen für die Ukraine als andere europäische Länder.

Zeitweise war Wallace der beliebteste Politiker des Landes und er wurde vergangenes Jahr als möglicher Nachfolger von Boris Johnson als Premierminister genannt. Er verzichtete damals auf eine Kandidatur und wurde daraufhin als möglicher nächster Nato-Generalsekretär gehandelt. Doch dafür bekam er nicht die nötige internationale Unterstützung.

In seiner Rücktrittserklärung verwies Wallace darauf, dass er die britischen Streitkräfte wieder aufgebaut hätte, und warnte Premierminister Rishi Sunak, den Verteidigungsetat nicht zu kürzen, da die Welt über das nächste Jahrzehnt instabiler werden würde.

Shapps hat anders als Wallace keinen militärischen Hintergrund. Der 54-jährige ist aber einer der wenigen in der Regierung, der eine ukrainische Flüchtlingsfamilie bei sich zu Hause aufnahm, als vergangenes Jahr der russische Überfall begann. Seit 2010 hat er auf verschiedenen Posten die konservativen Regierungen oft aus brenzligen Situationen herausreden müssen. Er gilt deshalb als „sichere Hand“. Mit der Ukraine hatte er auch als Energieminister in Fragen der Energiesicherung zu tun.

Er ist der neue Verteidigungsminister: Grant Shapps verlässt die Downing Street 10 Foto: Stefan Rousseau/PA/ap

Shapps ist der erste britische Verteidigungsminister jüdischen Glaubens, in einer Regierung, die Bri­t:in­nen aller möglichen diversen Hintergründe vereint. Seine Nachfolge im Energieministerium geht an die 1985 geborene ehemalige Investmentbankerin Claire Coutinho, deren Eltern aus Goa in Indien stammen.

Die bisherige Kinderstaatssekretärin wird nun die Entscheidungen ihres Vorgängers mitverantworten müssen, der neue Lizenzen für die Öl-und Gasgewinnung in der Nordsee genehmigt hat. Ihren ehemaligen Posten als Staatssekretärin füllt nun David Johnston, 41, der in Ostlondon aufgewachsen ist und einen Verdienstorden für seinen Einsatz für soziale Mobilität hält.

Shapps, Coutinho und Johnston stehen Sunak nahe und stärken somit dessen Stellung. Der Rücktritt des politischen Schwergewichts Ben Wallace folgt jedoch auf den Rücktritt und völligen Ausstieg aus dem Parlament der früheren Kulturministerin Nadine Dorries, eine enge Verbündete Boris Johnsons, die dessen Abgang als Ergebnis eines Komplotts bezeichnet hat und erwartungsgemäß mit scharfer öffentlicher Attacke auf Sunak von der Bühne ging.

In Dorries' südenglischem Wahlkreis Mid-Bedfordshire wird es nun innerhalb der nächsten Monate zu einer Nachwahl kommen. Parlamentswahlen werden im Vereinigten Königreich für das späte Frühjahr 2024 erwartet.

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