Mieterhöhungen ohne Mietspiegel: Dreist, dreister, Covivio

Als erster Immobilienkonzern umgeht Covivio den Mietspiegel. Um Mieterhöhungen in Spandau zu rechtfertigen, verweist der Konzern auf Mieten in Mitte.

Hochhausblock

Hochhausblock in Berlin-Staaken Foto: dpa

BERLIN taz | Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert – das muss sich auch der Immobilienkonzern und Enteignungskandidat Covivio mit seinen etwa 17.000 Wohnungen in Berlin gedacht haben. Für betroffene Mie­te­r:in­nen war Covivio schon lange für seinen ungenierten Umgang mit ihnen bekannt. Die breite Öffentlichkeit lernte den Konzern zuletzt durch sein Hochhausprojekt am Alex kennen: Dort hatten Bauarbeiten zu einem Absacken des U-Bahn-Tunnels und einer Sperrung der U2 für elf Monate geführt.

Wer nun erwartet hätte, dass das französische Aktienunternehmen der Stadt etwas zurückgeben wollte, hat falsch gedacht. Covivio ist der erste bekannte Immobilienkonzern, der den im Juni vorgestellten Berliner Mietspiegel 2023 umgeht, um noch höhere Mietforderungen durchzusetzen. Der Konzern nutzt aus, dass es für dieses Jahr keinen qualifizierten Mietspiegel gibt, der auf einer Erhebung von Mietwerten beruht, sondern nur einen einfachen Mietspiegel auf Basis einer statistischen Berechnung. An diesen ist er gesetzlich nicht gebunden.

Für eine 1969 gebaute Wohnung am Brunsbütteler Damm in Spandau fordert Covivio eine Erhöhung der Kaltmiete von bislang 6,77 Euro pro Quadratmeter auf 7,78 Euro – 60,38 Euro im Monat mehr. Wie aus einer Berechnung des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV) hervorgeht, hätte eine Erhöhung, die sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel orientiert, nur maximal 13,69 betragen dürfen.

Die mehr als vierfach erhöhte Forderung begründet Covivio dagegen mit Vergleichsmieten von 5 Wohnungen, die allesamt nicht in Staaken, sondern in Kreuzberg und Mitte liegen, mit Quadratmeterpreisen zwischen 10,91 und 12,83 Euro. Weil die Mieten dieser Vergleichswohnungen höher liegen, verlangt Covivio die maximal möglichen 15 Prozent mehr Miete.

Nur eine der Möglichkeiten

In dem Schreiben begründet der Konzern sein Vorgehen mit dem lapidaren Hinweis: „Für die Begründung der ortsüblichen Vergleichsmiete hat der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten vorgesehen.“ Gegenüber der Berliner Zeitung hatte eine Unternehmenssprecherin gesagt, der Konzern führe keine Statistik darüber, in wie vielen Fällen Mieterhöhungen auf diese Weise begründet würden, geschätzt handele es sich „lediglich um einen kleinen Anteil“.

Der Senat hatte im Juni keinen qualifizierten Mietspiegel vorgelegt, weil zuvor ein Einspruch gegen die Auftragsvergabe an das erstellende Institut für eine Verzögerung gesorgt hatte. Statt einer Erhebung der Mietpreise wurde der Mietspiegel von 2021 daher über ein statistisches Verfahren auf Grundlage der Entwicklung der Verbraucherpreise fortgeschrieben.

Im Ergebnis stand ein einfacher Mietspiegel mit höheren Vergleichsmieten von 5,4 Prozent über alle Baujahrgänge, Wohnungsgrößen und Lagen hinweg. Während Gerichte den qualifizierten Mietspiegel überwiegend als bindend ansehen und anders berechnete Erhöhungen zurückweisen, ist dies beim einfachen Mietspiegel nicht der Fall.

Laut AMV-Chef Marcel Eupen müssten Mie­te­r:in­nen „die Suppe auslöffeln“, die ihnen von der Arbeitsgruppe Mietspiegel des Senats eingebrockt worden sei. Mie­te­r:in­nen hätten „kaum eine reale Möglichkeit, die Vergleichswohnungen und damit die Berechtigung der Mieterhöhung zu überprüfen“, das Nichtakzeptieren der Forderung und eine daraus folgende Rechtsstreitigkeit sei mit hohen Risiken verbunden. Eupen befürchtet, „dass andere Vermieter dem Beispiel der Covivio folgen“. Im Frühjahr nächsten Jahres soll aber zumindest diese Gefahr wieder beseitigt werden. Dann will der Senat einen neuen qualifizierten Mietspiegel vorlegen.

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