5 dinge, die wir gelernt haben:
1 Rechte Dreistigkeit wird belohnt
Wer’s glaubt, dass Hubert Aiwanger nie rechtsextrem gewesen ist, nie eine Hetzschrift selbst geschrieben und sich trotzdem glaubwürdig entschuldigt hat, wird mit den Freien Wählern selig. Laut jüngsten Umfragen in Bayern sind das jetzt bedauerlicherweise noch mehr Menschen als vor der Naziflugblatt-Enthüllung. Ob Aiwangers Freisprecher Markus Söder mit diesem Partner selig bleibt, ist offen. Während seine CSU leicht an Zustimmung verliert, könnte neben den Freien Wählern auch die AfD von dem Skandal profitieren.
2 Die linke Opposition ist sprachlos
Für Bayerns SPD und Grüne ist die Bilanz der Aiwanger-Affäre niederschmetternd: Ihre Umfragewerte sind jetzt noch schlechter. Auf die übergroße Mehrheit wirkten die oppositionellen Ankläger offensichtlich nicht wie mutige Aufklärer, sondern wie übereifrige Wahlkämpfer, die in uralten Schultaschen wühlen, dort aber keine handfesten Beweise finden und trotzdem sofort nach Entlassung rufen. Mit dieser vorschnellen, autoritären Haltung redeten sie am Gerechtigkeitsgefühl auch vieler liberaler Bayern vorbei – und so verhalfen ausgerechnet Linke dem rechten Agitator Aiwanger zu Sympathiegewinnen. Ein zielgenauer, überlegter und erfolgreicher Kampf gegen rechts sieht anders aus.
3 Ein Sportler macht’s vor
Wie man für alle Welt nachvollziehbar, instinktsicher und wirkungsvoll auf nationalistische Töne reagieren kann, demonstrierte der beste deutsche Tennisspieler Alexander Zverev bei den US Open in New York. Als ein Zuschauer „Deutschland, Deutschland über alles“ anstimmte, ging Zverev zum Schiedsrichter, wies ihn auf den „Hitler-Spruch“ hin und erklärte laut: „Das ist inakzeptabel.“ Der Zwischenrufer wurde rausgeschmissen, und Zverev hat viel mehr als nur ein Spiel gewonnen.
4 Ausdauer lohnt sich
In Bremen erinnert künftig ein Mahnmal an die im Nazijargon „Arisierung“ genannte Enteignung von Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit – und an den Profit, den heute noch existierende Firmen daraus schlugen. Wie es gelang, dieses Mahnmal direkt gegenüber der Deutschlandzentrale der Logistikfirma Kühne + Nagel gegen viele Widerstände durchzusetzen, ist ein Musterbeispiel gelebter Erinnerungskultur – Grüße gehen nach Bayern.
5 Scholz sieht mit links besser
Taktisch geschickter als seine bayerischen SPD-Kollegen, nahm Olaf Scholz den schmierigen Fall Aiwanger nur „zur Kenntnis“, präsentierte sich selbstironisch mit einer schwarzen Klappe über dem verletzten rechten Auge und ging damit ungewohnt streitlustig gegen Friedrich Merz in die Offensive. Scholz bekam so viel Beifall wie nie. Er sollte die Klappe nie mehr absetzen. (lkw)
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