Querdenker in Berlins Kulturszene: Leugnen als Kunst
Coronaleugner machen sich in der Kunstszene breit, veranstalten Theater und Ausstellungen. Anselm Lenz wird zu 210 Tagessätzen verurteilt.
Im Mai waren beide aus den Räumen des linken Jugendzentrums Drugstore geflogen, wo sie unter falschen Namen an einem Theaterstück gearbeitet hatten. Dykier ist während der Coronaproteste in extrem rechten Kreisen aktiv gewesen, hat auf Reichsbürgerversammlungen gesprochen und über die Ermordung politischer Gegner:innen fantasiert. Im Juni wurde sie vom Amtsgericht Tiergarten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Androhung von Straftaten, Beleidigung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
In einem Statement, das Dykier auf ihrer Website in Reaktion auf einen taz-Text nach ihrem Drugstore-Rauswurf veröffentlicht hat, distanziert sie sich halbherzig von diesen Vorfällen: „Meine Verrücktheiten waren immer rein spielerischer Natur“, heißt es da. So sollte man dann wohl auch die Ankündigung lesen zu ihrem Film- und Theaterprojekt „Hauptdarsteller“, das ursprünglich in der Neuen Bühne Friedrichshain laufen sollte. In dem kryptischen Text heißt es etwa: „Die Seiltänzer stürzen ab. Wir zeigen, wie sie blutverschmiert aufwachen, die Waffen schnappen, ihre Kugeln zählen, Listen machen und sich rächen.“ Alles ganz harmlos?
Nach einer Intervention von Antifaschist:innen wurde das Stück vergangene Woche vom Spielplan genommen und durch „Stella“ ersetzt. Zumindest die Protagonist:innen aber sind dieselben. Dykiers „Doch“-Kollektiv ist das Ergebnis diverser Spaltungsprozesse.
Einst waren Dykier und Lenz als Besetzer:innen der Volksbühne 2017 Teil des Theaterkollektivs „Staub zu Glitzer“. Dies trennte sich kurz nach der Aktion von einer Reihe ehemaliger Mistreiter:innen, die daraufhin das „Nie“-Theater gründeten und zwei Jahre lang eine Keller-Bühne in Neukölln bespielten. Dort flog Dykier aber ebenfalls raus – nach diversen Übergriffen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen. Ebenso wie Hendrik Sodenkamp, der dann mit Anselm Lenz die ersten Coronademos organisierte. Eine Anfrage der taz ließ die Neue Bühne Friedrichshain unbeantwortet.
„Art Weekend“ geplant
Teil des Nachfolgeprojektes „Doch“ ist auch die Künstlerin Jill Sandjaja, die im Mai ihre Ausstellung über die Corona-„Verbrecher“ in der Kreuzberger Galerie Zeitzone zeigen wollte. Dazu kam es letztlich nicht, die Ausstellung fand in abgespeckter Form in geheim gehaltenen Räumlichkeiten statt.
Mit der „Internationalen Agentur für Freiheit“ (IAFF) versucht Sandjaja, Lebensgefährtin von Sodenkamp, weiterhin Corona-leugnenden Künstler:innen Räume zu verschaffen. Vom 7. bis 9. September findet das von der IAFF organisierte „Berlin Art Weekend“ statt, nach einer Erstauflage im vergangenen September, zum zweiten Mal in der Musikbrauerei in der Greifswalder Straße.
Gezeigt werden Werke von Clemens Unger, Autor zweier Coronabücher und des rechten Blogs „Achse des Guten“, oder von Michal Lezian, den eine Ausstellungsankündigung mit der Forderung zitiert: Das Volk müsse „die Verantwortlichen vor Gericht bringen“. Im Begleitprogramm sollen Musiker:innen auftreten, die sich als „systemkritisch“ beschreiben und auf Coronademos herumgetrieben haben. Darunter Jens Fischer Rodrian, der von den „Vasallen der Weltenlenker“ singt, der Chanson-Sänger „ohne G’s“ Boris Steinberg und der notorische Dauerprotestierer und DJ Captain Future. Auch die Musikbrauerei beantwortete die Anfrage der taz nicht.
Unterdessen wurde gegen Anselm Lenz am Mittwoch wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte bei Coronademos 2020 ein Strafbefehl erlassen. Unter Einbeziehung vorheriger Strafen muss er 210 Tagessätze zu je 13 Euro zahlen. Ohne Widerspruch wird der Strafbefehl rechtskräftig, sonst kommt es zum Prozess.
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